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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot
Autoren: Edgar Wallace
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»Du hast alles Geld, das du mir hättest schicken sollen, für sie verschwendet! Verdammt noch mal, warum hast du mir nicht gesagt, wo du warst? Wenn ich diesen Auftrag nicht angenommen hätte, dann hätte ich dich wahrscheinlich nie wieder gesehen. Deinetwegen hätte ich im Rinnstein verrecken können!«
    »Ja, ich wollte dich vergessen«, entgegnete sie entschlossen. »Hauptsächlich des Kindes wegen. Ich mußte zwischen dir und ihr wählen. Du hattest all dieses Elend über uns gebracht. Ich will nicht sagen, daß es allein deine Schuld war. Deine Erziehung ist auch daran schuld - die Umgebung, in der du aufgewachsen bist. Aber Marie tat mir so leid. Und so entschied ich mich für sie und ließ dich fallen. Ihr beide hattet nicht zusammen Platz in meinem Leben. Manche Frauen hätten vielleicht anders darüber gedacht, aber ich bin nicht wie die anderen. Ich bin zur Mutter geboren; die Liebe zu dir hast du in mir erkalten und erstarren lassen.« Zu viele Jahre waren inzwischen verflossen. Mit Schrecken dachte sie jetzt an das Leben, das sie an seiner Seite geführt hatte. Er war ein gebrochener Mann, sicher, aber eine unüberwindliche Kluft tat sich zwischen ihnen auf, die kein Mitleid überbrücken konnte. »Und das Kind war so lieb«, fuhr sie fort. »Als sie hierherkam, dachten alle Nachbarn, ich wäre die Pflegerin, und ich sagte nichts dagegen. Ohne großes Zutun von meiner Seite entwickelte sich das eigentlich alles von selbst. An ihr wollte ich all das wiedergutmachen, was an mir versäumt worden war. Sie sollte all das Glück genießen, von dem ich nur träumte, ohne es jemals zu erreichen. Und so hatte ich etwas, wofür ich lebte, kämpfte und arbeitete, ein großes Ziel, zu dem ich aufblicken konnte. Es gab Zeiten, in denen es mir fast zu schwer wurde. Ich fühlte mich manchmal namenlos elend und allein.«
    »Was soll ich dann erst sagen - vollständig von der Welt abgeschlossen? Meinst du denn, ich hätte mich nicht einsam gefühlt? An mich hast du natürlich nicht gedacht!«
    Sie schüttelte den Kopf. Wie hätte sie auch an ihn denken sollen? Höchstens mit Schaudern und mit Abscheu. Was hatte er auch getan, um ihr Mitleid zu verdienen? Sie sah geistesabwesend ins Dunkle und dachte an all die verlorenen Jahre, die sie allein und voll Kummer zugebracht hatte. »Ich konnte nicht an euch beide denken, das habe ich dir doch schon vorher gesagt«, erwiderte sie leise. »Für mich gab es nur mein Kind, die ganze andere Welt zählte nicht. Oh, und es hat sich gelohnt. Es war ein wunderbares Ziel, für das ich kämpfte -«
    Sie sah ihn fragend an. Hatte sie ihn beruhigen können? Aber die nächsten Worte zeigten ihr schon, daß alles umsonst gewesen war. »Sie wird ja wohl den reichen Kerl heiraten?« fragte er düster und schaute sie durch zusammengekniffene Augenlider an.
    »Ich weiß es nicht - aber ich hoffe, daß es dazu kommt. Er ist ein Gentleman, und sie wird sicher sein, wenn sie einen solchen Mann an der Seite hat.«
    »Hat er denn Geld?«
    Sie nickte. »Ja, ich glaube.«
    Er erhob sich und ging mit schlürfenden Schritten im Laden auf und ab. »Wenn er Geld hat, kann er auch für sie zahlen«, sagte er dann kurz. In diesem Augenblick schien das Gewitter seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Es war, als ob der Himmel über ihnen einstürzte. Verwirrt sah sie ihn an.
    »Joe, das ist doch ganz unmöglich! Das kannst du ihm doch nicht sagen. Du darfst dich ihm doch nicht aufdrängen!« rief sie außer sich. »Natürlich werde ich ihm das sagen!«
    Als er sah, daß sie unter der Wucht seiner Worte zusammenschrak, freute er sich. Befriedigt sah er, wie sie litt. Jetzt war sie nicht mehr so stolz! »Laß mich nur, ich werde schon so viel aus ihm herausholen, als irgend möglich ist - er muß blechen, sonst mache ich ihm die Hölle heiß! Ich weiß, wer er ist - er heißt Morlay. Und dabei ist dieser Lump ein Detektiv! Donnerwetter, er soll meine Tochter heiraten? Lieber würde ich sehen, daß sie verreckt!«
    »Joe, ich will dir Geld geben«, versprach sie ihm fiebernd vor Angst. »Ich will dir viel Geld geben. Morgen sollst du es haben.« »Selbstverständlich wirst du mir Geld geben. Das wäre ja noch schöner! Hab dich nicht so und tu nicht, als ob das auch noch eine Gnade von dir wäre! All die Jahre hast du mich im Gefängnis verkommen lassen! Glaubst du, ich lasse mir von dir gefallen, daß du dich obendrein noch aufs hohe Roß setzt?«
    Sie feuchtete ihre trockenen Lippen mit der Zunge an.
    »Du
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