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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot
Autoren: Edgar Wallace
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als ob er fürchtete, von dem Grundstück gewiesen zu werden. Aber dann faßte er Mut und kam langsam auf John Morlay zu. »Können Sie mir hier eine Stelle oder Arbeit geben?« Die barsche Stimme paßte zu dem unfreundlichen Wesen. John Morlay betrachtete den Mann neugierig, der einen alten Soldatentornister auf dem Rücken trug. Die Schuhe waren etwas zu groß und an den Seiten aufgeplatzt, die Hosen unten ausgefranst. Das Hemd stand am Hals offen, so daß man die sonnverbrannte Brust sehen konnte. John wußte nach der äußeren Erscheinung des Fremden sofort, mit wem er es zu tun hatte.
    »Ich habe leider keine Arbeit für Sie, mein Sohn. Wie lange sind Sie denn schon wieder heraus?«
    Der Mann blinzelte ihn an und verzog das unrasierte Gesicht ärgerlich. »Wie?«
    »Wie lange Sie schon wieder heraus sind?«
    Der Fremde sah in den Garten, auf das Haus, auf den Himmel, überallhin, nur nicht auf John. »Ich weiß nicht, was Sie meinen.« »Seit wann sind Sie aus dem Gefängnis entlassen?«
    »Seit sechs Monaten«, lautete die trotzige Antwort. »Sie sind wohl von der Polente?«
    »In gewisser Weise - ja«, erwiderte John mit einem leichten Lächeln. »Warum haben Sie denn gesessen?« Der Mann sah ihn fest an.
    »Das geht nur mich etwas an. Sie können mir nichts anhaben, ich brauche mich nirgends zu melden. Ich bin nicht auf Bewährung entlassen, ich habe meine ganze Strafe abgesessen.« Seine Stimme wurde immer rauher und lauter. »Jeden Tag und jede Stunde. Ich habe keinen Strafnachlaß bekommen; wie einen Hund haben sie mich behandelt - und das habe ich ihnen heimgezahlt. Ich lasse mich nicht unterkriegen, so bin ich!« Zwei Transportarbeiter kamen an ihnen vorbei. Einer trug ein Ölgemälde. Von Johns Standpunkt aus war es schwer, die dargestellte Person und den künstlerischen Wert zu unterscheiden; er sah nur, daß es sich um das Porträt einer jungen Dame in hellblauem Kleid handelte. Ihre Haare waren goldblond, und eine Vase stand neben ihr.
    Der frühere Sträfling trat befangen von einem Fuß auf den anderen. Es war klar, daß er möglichst bald fort wollte. Aber die jahrelange Gewohnheit, von Vorgesetzten ausgefragt zu werden, hielt ihn zurück. Morlay erkannte dies, entließ ihn mit einem Auf Wiedersehen und schaute ihm dann nach, wie er mit steifen Schritten über den Rasen auf die Straße hinausging.
    Nach einer Weile schlenderte Morlay zum Haus zurück, und nachdem er sich genügend umgesehen hatte, wandte er sich wieder an den Gärtner. »Was ist es denn für eine Gräfin?« Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Ich habe es nicht recht behalten. Es ist ein fremder Name - italienisch! Mit einem F fängt er an.«
    »Danke für die Auskunft.«
    John schlenderte durch das Gartentor hinaus. Am Ende der kurzen Straße stand das Lastauto, das die Möbel gebracht hatte, und er ging darauf zu. Als er dort ankam, hielt gerade ein anderes Auto an, und eine ziemlich behäbige Frau von mittleren Jahren stieg aus.
    Vielleicht war sie die neue Haushälterin. Aber John fiel ein, daß der Gärtner nichts von einer solchen Angestellten erwähnt hatte. Er kümmerte sich auch nicht weiter um sie. Was gingen ihn die Dienstboten einer jungen italienischen Gräfin an?
    Langsam ging er auf die Hauptstraße zu und hielt Ausschau nach seinem Bekannten, dem Kriminalinspektor Peas. Schließlich entdeckte er ihn in einiger Entfernung.
    Die Gegend hier war romantisch, und auch diese junge italienische Gräfin umgab eine gewisse Romantik. Wahrscheinlich gehörte sie zu jenen Damen der vornehmen Welt, die sich hier nur während der Rennen blicken ließen. Zu dieser Zeit würde der kleine Landsitz dann fröhliche Partys sehen, aber nachher war wieder alles vorüber; Vorhänge wurden vorgezogen, die Türen abgeschlossen. Die junge Gräfin fuhr an die Riviera oder an den Lido, bis die Saison sie wieder zu ihrer idyllisch-schönen Besitzung zurückrief, die dann von neuem von den Handwerkern hergerichtet wurde. Peas, der John mit lebhaften Schritten entgegenkam, brachte diesen aus seiner Versunkenheit zur Wirklichkeit zurück. Der Polizeibeamte war auf Ersuchen der lokalen Behörde von Scotland Yard hierhergeschickt worden, um einen Einbruchdiebstahl aufzuklären, und hatte John Morlay eingeladen, ihn zu begleiten. Teils, weil er gern jemandem von seiner Tüchtigkeit erzählte, teils, weil John Morlay ein großes, elegantes Auto besaß, in dem er bequem seinen Bestimmungsort erreichen konnte.
    In kurzer Zeit begann die Saison in Ascot,
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