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096 - Die Gräfin von Ascot

096 - Die Gräfin von Ascot

Titel: 096 - Die Gräfin von Ascot
Autoren: Edgar Wallace
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bückte sich über den Mann am Boden und sah ihn eine Zeitlang schweigend an. Joe war tot.
    Kurz entschlossen eilte Herman wieder zum Laden und riegelte die Tür hinter sich zu.

27
    Draußen auf der Straße hallten Schritte, die plötzlich anhielten. Ein Polizeibeamter blieb vor der Gestalt stehen, die auf dem Gehsteig lag. »Sie, stehen Sie auf!« sagte er und schüttelte den Mann. »Das ist hier kein Platz zum Schlafen!«
    Als er den Arm des Mannes losließ, fiel er steif herunter. Der Beamte erschrak, beugte sich über ihn und faßte sein Gesicht an. Es war eiskalt, und als er den Puls fühlen wollte, konnte er nur noch feststellen, daß er nicht mehr schlug.
    Im nächsten Augenblick schrillte seine Polizeipfeife durch die Nacht. Bei der Leichenschau konnte nichts weiter festgestellt werden. Nach den Papieren, die man bei dem Toten gefunden hatte, handelte es sich um einen Joe Hoad, alias Smith, der nach Verbüßung einer langjährigen Strafe aus dem Zuchthaus entlassen worden war. Der Polizeiarzt stellte fest, daß der Mann an einem schweren Herzleiden gelitten hatte, das jeden Augenblick den Tod herbeiführen konnte. Und so stand denn auch auf dem Totenschein, daß der Mann am Herzschlag gestorben war. In einer seiner Taschen fand man ein paar neue Fünfpfundnoten, und wenn Julian Lester nicht so außerordentlich vorsichtig gewesen wäre, hätte die Polizei sie mit ihm in Zusammenhang bringen können. Es stellte sich dann auch noch heraus, daß er am letzten Abend Alkohol zu sich genommen hatte, und bei dem schweren Herzleiden genügte das vollkommen, um seinen Tod zu erklären. Die Geschworenen fällten das Urteil, daß der Mann eines natürlichen Todes gestorben sei. Mrs. Carawood wurde allgemein für äußerst sentimental und großzügig gehalten, weil sie den Mann mit der Begründung, daß er vor ihrer Haustür gestorben sei, auf ihre Kosten und nicht nach Armenrecht beerdigen ließ.
    Am Abend nach dem Begräbnis saß sie mit Herman in dem Zimmer hinter dem Laden.
    »Er ist tot. Das ist das einzige, worauf es ankommt«, sagte Herman. Sie war ganz außer sich, daß er so kaltblütig darüber sprechen konnte. Ihre Augen waren rot vom Weinen. Die Nachbarn hatten sich die Köpfe zerbrochen, warum sich die sonst so vernünftige Frau über den Tod eines alten Verbrechers derartig aufregte.
    »Es tut mir jetzt doch leid um ihn, Herman. Und es kommt mir so geheimnisvoll vor.«
    »Nein, es ist überhaupt kein Geheimnis dabei, Mrs. Carawood«, erwiderte Herman und sah sich trotzig in dem nicht allzu hell erleuchteten Zimmer um. »Und es ist besser, daß er tot ist.«
    Mrs. Carawood berührte dankbar die Hand des Jungen. Sie hatte mehrere schlaflose Nächte hinter sich und fühlte sich sehr angegriffen. Seine Haltung und die Tatsache, daß er sich überhaupt nicht um den Verstorbenen kümmerte, hatte etwas Tröstliches für sie.
    »Wir wollen jetzt schlafen gehen«, sagte sie. »Während der letzten Tage haben wir beide wenig Ruhe gehabt. Wie gut, daß Marie in Ascot ist. Wenn ich nur mit Mr. Morlay alles besprechen könnte - er würde mich verstehen!«
    Mrs. Carawood wollte gerade die Treppe hinaufgehen, als draußen jemand an der Ladentür rüttelte. Sie sahen sich plötzlich beide ängstlich an; Mrs. Carawood faßte sich zuerst wieder.
    »Vielleicht will uns ein Nachbar besuchen? Es ist ja noch nicht allzu spät. Gehen Sie hin und sehen Sie nach, wer es ist.«
    Schnell hatte Herman das Licht wieder angedreht. Seine Finger zitterten aber doch ein wenig, als er die Tür aufschloß.
    »Kann ich Sie noch sprechen, Mrs. Carawood?« fragte der Herr, der in den Laden trat.
    Es war John Morlay. Er kam von Ascot - fast jeden Nachmittag brachte er mit Marie draußen zu.
    »Ist irgend etwas passiert?« fragte sie besorgt.
    »Nein, nicht das geringste.«
    Er war in äußerst froher Stimmung. Sie wollte Herman fortschicken, aber er bat, daß der Junge bleiben sollte. Sie hatte eine Ahnung, daß es jetzt zur Aussprache kommen würde.
    »Ich mußte Sie heute abend noch sehen, und ich bin davon überzeugt, daß auch Sie mich sprechen wollten. Vielleicht haben Sie mir etwas zu sagen?«
    Es trat eine kleine Pause ein.
    »Ich weiß alles über Marie«, fuhr er schließlich fort. »Es gibt nur ein überlebendes Mitglied der Familie Fioli - das ist Emilio Benito Fioli, hier in London als Pater Benito bekannt.« »Was, Sie wissen alles?« fragte sie atemlos. John lächelte.
    »Pater Benito hat mich wegen Marie aufgesucht. Er war in
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