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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann
Autoren: Jason Dark
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hatte.
    Das Jucken blieb.
    Es unterbrach ihre Gedanken, und es störte sie auch, wie sie zugeben mußte.
    Sie senkte den Kopf etwas, um die Haut besser erkennen zu können, und da wußte sie plötzlich, daß dieser Juckreiz seine Ursache oder Quelle unter der Haut hatte.
    Sie starrte weiter hin. Die Haut war dünn, auch nicht mehr so glatt wie die einer jüngeren Frau, sondern leicht eingeschrumpelt. Das kannte sie, es war natürlich, es störte sie auch nicht weiter. Aber da war etwas, mit dem sie nicht zurechtkam.
    Zwischen zwei relativ weit auseinanderliegenden Falten bewegte sich die Haut von innen.
    Ja, von innen!
    Dort befand sich etwas. Es mußte sich unter der Haut festgesetzt haben, aber nicht nur das, es wanderte sogar und drückte gleichzeitig von unten dagegen, machte die Haut dünn, die nun einer Pelle glich.
    Jovanka wußte nicht, was sie denken sollte, aber sie erinnerte sich sehr genau an die Fliegen, die sie als Wolke auf dem Friedhof umspannt hatten.
    Und einige Fliegen waren auch aus ihrem Mund gekrochen. Sie brauchte keine große Phantasie, um sich vorstellen zu können, was sich da unter der Haut abspielte, denn das »Ding« wuchs und bewegte sich weiter. Irgendwann würde die Haut platzen.
    Und das geschah genau drei Sekunden später!
    Plötzlich riß die Haut auf. Eine Lücke entstand, umhüllt von dem Blut und einer weißlichen Flüssigkeit tauchte eine Fliege auf!
    Dick und fett, mit dünnen Flügeln, die ebenso grünlich schimmerten wie der Körper. Jovanka brach der Schweiß aus. Sie hätte jetzt nichts sagen können, atmete nur laut und verzerrt, und sie sah, daß es sie Fliege geschafft hatte, die Wunde zu verlassen.
    Das Tier krabbelte jetzt über den Handrücken, und die alte Frau spürte die kleinen Füße. Sie bekam eine Gänsehaut. Nicht nur auf der Hand, sondern auch am Rücken. Sie hörte das Brummen der Fliege, die plötzlich von ihr wegschwirrte, in die Luft stieg und wenig später nicht mehr zu sehen war.
    Zurück blieb Jovanka, die noch immer nicht fassen konnte, was da mit ihr geschehen war.
    Jovankas Kopf sank nach vorn. Sie riß sich zusammen, schaute in die Wunde. Das Fleisch schimmerte rötlich, es war kein schöner Anblick, der sie auch nicht mehr weiter interessierte, denn sie dachte an etwas anderes. Die Fliege wollte ihr nicht aus dem Sinn. Sie war einfach aus ihrem Körper gekrochen! Eine Fliege nur? Oder mußte Jovanka damit rechnen, daß es mehrere waren?
    Der Gedanke beunruhigte sie und steigerte ihre Angst. Sie verzichtete auf ein Glas, griff zur Flasche, setzte sie an ihre Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Das Zeug rann scharf durch ihren Hals, als wollte es dort hockende Fliegen betäuben oder töten.
    Jovanka setzte die Flasche wieder ab und korkte sie zu. Dann schüttelte sie den Kopf. Sie würde nicht zu Joseph gehen, um dort etwas zu reden. Sie würde in ihrem Haus bleiben, denn sie war jetzt der Meinung, daß sie nicht mehr zu den Menschen hier im Ort gehörte. Jovanka war zu einer anderen geworden. Das Schicksal hatte sie gezeichnet. Sie war mit etwas zusammengetroffen, über das sie nicht reden wollte, weil man sie ausgelacht hätte. Denn wer hätte ihr das schon geglaubt? Fliegen, die sie umhüllten und in ihren Körper krochen.
    Auch die linke Hand schaute sich Jovanka an.
    Da passierte nichts.
    Blieb es bei dieser einen?
    Sie wollte aufstehen und zurück ins Haus gehen, als sie erneutes Kribbeln spürte.
    Diesmal auf dem Fuß.
    Der Juckreiz war ungemein stark.
    Jovanka handelte und schleuderte den rechten Schuh weg. Dann schaute sie nach unten, und im selben Augenblick brach die dünne Haut zwischen den dick hervortretenden bläulichen Adern auf.
    Sie bekam den zuckenden Schmerz deutlich mit und mußte mit ansehen, wie zwei Fliegen ihren Fuß verließen und brummend davonflogen.
    Glauben konnte sie es nicht. Aber sie schaute auf ihren nackten Fuß, und da sah sie den Beweis.
    Eine zweite Wunde. Etwas größer als die erste. Schließlich waren auch zwei Fliegen hervorgekrochen.
    Sie stöhnte auf, sie zitterte, nahm die Flasche an sich und stand auf.
    Schwankend ging sie zurück in das Haus, wo auch ihr altes Bett stand. Sie ließ sich darauf fallen, zog sich nicht erst aus, sondern blieb angezogen liegen.
    Die Hände hielt sie auf der Brust zusammengefaltet. Ihre Lippen bewegten sich, sie sah aus wie tot, und die Worte eines altes Gebets strömten aus dem Mund.
    Vor ihr lag die Nacht, eine lange Nacht. Jovanka wußte nicht, ob sie die Sonne des
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