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184 - Die Herren von Sydney

184 - Die Herren von Sydney

Titel: 184 - Die Herren von Sydney
Autoren: Ronald M. Hahn und Stephanie Seidel
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Wie tückisch der Indische Ozean sein kann, weiß man spätestens seit dem schrecklichen Tsunami vom 26. Dezember 2004. In den letzten fünfhundert Jahren hatte sich daran nichts geändert.
    Donnernde Brecher, heulende Stürme, Unwetter, Riffe und gefährliches Getier – alles, was dazu beitragen konnte, Menschenleben zu vernichten, besaß dieses Meer im Überfluss. Selbst die Stille war tödlich. Sie kam in den gefürchteten Flauten auf, wenn der Wind erstarb und die Großsegler an Ort und Stelle fest hingen. Es dauerte Tage, manchmal sogar Wochen, ehe ihre schlaff herunter hängende Leinwand erneut zu flappen begann und das Schiff endlich wieder Fahrt aufnahm. Bis dahin waren die knapp bemessenen Vorräte an Bord oft schon aufgebraucht.
    Wer lange genug hungernd und halb wahnsinnig vor Durst in alle Richtungen gestarrt und nichts weiter erblickt hatte als spiegelglattes Salzwasser, der brauchte einen Sündenbock. Jemand musste verantwortlich sein für diese Grausamkeit – und bezahlen! An den Göttern konnte man Hass und Verzweiflung nicht auslassen, deshalb suchten die Seeleute ihr Opfer in den Reihen der Menschen. Hin und wieder traf es den Käpt’n. Meist jedoch fiel die Wahl auf einen Außenseiter.
    Clarice Braxton und Vogler, zwei Marsianer, die Matt Drax zur Erde begleitet hatten, waren nach ihrer Ankunft wie betäubt von dem Übermaß an neuen Eindrücken und niedergedrückt von der hohen Schwerkraft, der sie nur dank ihrer Exoskelette trotzen konnten. Während Matt auf der Suche nach Aruula nach Australien aufbrach, mussten die Gäste aus dem All sich erst akklimatisieren, und damit sie dies ungestört tun konnten, hatten hydritische Wissenschaftler sie nach Augustus Island gebracht. Die kleine Insel in der Nähe von »Ausala«, wie der fünfte Kontinent von den Menschen genannt wurde, war unbewohnt; es gab dort weder giftige Pflanzen noch große Fleischfresser.
    Nicht einmal gefährliche Bakterienstämme, von Viren ganz zu schweigen.
    Augustus Island war gründlich gecheckt worden, schließlich sollten Vogler und Braxton keiner Bedrohung ausgesetzt sein. Sie konnten sogar ihre Helme abnehmen und die irdische Luft atmen.
    »Hörst du das?«, fragte Clarice eines Morgens beim Strandspaziergang. Vogler blieb stehen und lauschte in die Dämmerung. Es war noch ziemlich früh; am Osthimmel schob sich erste zaghafte Helligkeit durch die Schatten der letzten Nacht. Nebelbänke lagen vor der Küste, und von dort, aus dem wogenden Grau, kam ein dumpfes Geräusch.
    »Es klingt, als würde etwas auf die Wellen schlagen«, sagte Vogler nachdenklich. »Große Fische vielleicht? Meeressäuger?«
    Clarice war nicht überzeugt. »Das Geräusch ist zu gleichmäßig. Mechanisch, irgendwie. Lass uns vorsichtshalber in Deckung gehen!«
    »Aber die Hydriten haben gesagt…«
    »Die Hydriten sind nicht hier!« Clarice wandte sich landeinwärts. Bizarre Küstenfelsen trennten die Strände vom Hinterland mit seinen Waldgebieten, den grünen Tälern und dem versteckten Labor der Marsianer. Die junge Wissenschaftlerin kam nur langsam voran. Trotz ihres Anzugs mit dem eingebauten Exoskelett ermüdete sie schnell. Nicht zuletzt deshalb, weil das Stützkorsett rein mechanisch ohne elektronische Hilfe arbeitete; arbeiten musste, denn der weltumspannende EMP legte auch die marsianische Technik lahm. Nur die geheimnisvolle, halborganische Bionetik der Hydree funktionierte nach wie vor.
    Irgendwann würden Clarice und Vogler sich so weit angepasst haben, dass sie sich ohne Hilfsmittel auf der Erde bewegen und die Luft in bewohnten Gebieten atmen konnten. Die Morgenspaziergänge sollten helfen, den steinigen Weg dorthin zu meistern.
    »Bis hierhin ist weit genug«, entschied der Waldmann, als sie die Felsen erreicht hatten. Vogler klang etwas kurzatmig und lehnte sich Halt suchend an das raue Gestein.
    Clarice wies auf eine Höhlung. »Von dort können wir den Strand beobachten, ohne gesehen zu werden.« Sie seufzte. »Ich wünschte, du hättest den Schockstab mitgenommen!«
    Vogler schwieg. Die bionetische Strahlenwaffe, die Quart’ol ihnen überlassen hatte, lag im Labor – warum hätte er sie zum Spaziergang mitnehmen sollen auf Augustus Island, das von den Hydriten als völlig ungefährlich eingestuft wurde? Eine mögliche Antwort kam vom Wasser her.
    Aus dem Nebel schälte sich der Umriss eines Bootes.
    Vier düstere, asiatisch anmutende Gestalten saßen auf den Bänken, ließen die Ruder ins Wasser klatschen und zogen kräftig
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