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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens
Autoren: Simon Borner
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Schlafzimmers im Château Montagne, und er hörte nichts als erholsame Stille.
    Hab ich das etwa nur geträumt? Angesichts dessen, was der Meister des Übersinnlichen in den letzten Wochen erlebt hatte, wäre das nicht weiter verwunderlich. Insbesondere seit Merlins Tod waren Dinge in Bewegung geraten, deren Auswirkungen er bis heute nicht ganz abschätzen konnte. Kein Wunder also, wenn seine überreizten Nerven ihm mitunter einen Streich spielten. Zamorra atmete aus und strich sich mit der Hand über die nackte Brust - dorthin, wo eigentlich das Amulett hätte hängen müssen. Merlins Stern hatte ihn aus unzähligen gefährlichen Situationen gerettet und ihn vor Angriffen unterschiedlichster Art beschützt, doch das magische Schmuckstück war… seltsam geworden, unkontrollierbar. Zamorra hatte sich entschieden, das Amulett Asmodis zu geben, der versuchen wollte, es wieder zu seiner gewohnten Funktionalität zu bringen. Und seit es nicht mehr da war, fühlte sich der Meister des Übersinnlichen irgendwie nackt.
    Als er nach einigen Sekunden noch immer keine Bedrohung ausmachen konnte, drehte sich Zamorra beruhigt zu Nicole um, die im Bett neben ihm schlie…
    Ihre Hälfte des Bettes war leer. Das Laken war zerwühlt, das Kissen eingedellt, doch von der attraktiven Partnerin fehlte jede Spur. Es sah aus, als sei sie erst vor kurzem aufgestanden. Für einen Moment empfand Zamorra beinahe so etwas wie Erleichterung darüber, sie einmal nicht an seiner Seite zu wissen. Dann strafte er sich in Gedanken dafür. Gut, ihre Beziehung war in letzter Zeit ein wenig angespannt gewesen, aber das war noch lange kein Grund, sich Nicole Duval vom Hals zu wünschen. Niemals.
    »Nici?« Zamorras Stimme schallte durch den Raum und durch die einen Spalt offen stehende Tür hinaus in den Flur. »Bist du da draußen?«
    Keine Antwort. Seltsam. Sollte sie ohne ihn in die Küche gegangen sein?
    Zamorra roch keinen Kaffee, von daher war es unwahrscheinlich, dass schon Frühstück serviert worden war. Mit einem Ruck erhob er sich von der Matratze, schritt durch den Raum und schlüpfte in seine Kleider: den weißen Anzug und das rote Hemd, die so etwas wie sein Markenzeichen geworden waren.
    Zamorra hatte die Schwelle zum Flur noch nicht ganz überschritten, da spürte er schon, dass tatsächlich etwas nicht stimmte. Wie und warum hätte er nicht in Worte fassen können, aber mit einem Mal wusste er - wusste es so sicher, wie er dieses Haus und seine Bewohner kannte -, dass irgendetwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zuging.
    Es war still im Château. So still wie in einem Grab.
    Schnell eilte Zamorra den Gang zur Treppe entlang, während die letzten Spuren der Morgenmüdigkeit von ihm abfielen. Immer wieder sah er sich um, suchte nach Nicole, nach William oder irgendeinem anderen Menschen. Doch seine Bemühungen blieben vergebens.
    Als er die Küche erreichte, fand er auch sie so leer vor, als wäre er der einzige Bewohner dieses weitläufigen Anwesens in der Nähe der Loire. Die Morgensonne fiel durch das Fenster und tauchte den Raum in ein helles, warm wirkendes Licht. Zamorra trat näher, um in den Garten zu blicken. Sollten sich etwa alle nach draußen begeben haben? Zu so früher Stunde?
    Ratlos schaute er aus dem Fenster und sah…
    ... trockenes, verdorrtes Land. Eine einzige Einöde, flach und staubig von hier bis zum Horizont. Kein Grashalm regt sich auf dem trockenen Boden, kein Wind weht den Schmutz auf und bringt Bewegung in das unfassbar irreale Bild. Ein gelblich fahler Himmel erstreckt sich über der Ebene und wirkt wie eine Kuppel aus gefärbtem Glas, unter der alles Leben jämmerlich ersticken muss. Mitten in der Kuppel hängt eine Sonne, schwach und kraftlos, und ihre einstmals runde Form weicht allmählich auf. Dicke Fäden aus Licht sondern sich von ihr ab und gleiten über die Himmelskuppel dem Horizont entgegen, wie eine dickflüssige Suppe, die vom Rand eines übervollen Tellers tropft. Und wo die Fäden den Boden berühren, gebiert das Nichts Leben, formen sich Gestalten aus der Einöde. Zamorra traut seinen Augen kaum, begreift aber, dass sie es sind, denen diese absurd anmutende Welt gehört. Dies ist ihr Reich und er nur ein unwillkommener Beobachter, dessen Anwesenheit nicht lange unbemerkt bleiben dürfte. Und dann gnade ihm Gott!
    ***
    Zamorra zuckte zusammen und schloss die Augen, als könne er den grausamen Anblick dadurch ungeschehen machen. Was er da sah, ergab keinerlei Sinn! Diese Landschaft mit
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