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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens
Autoren: Simon Borner
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derartig blenden zu können?«
    »Versprochen?« Gensfleisch schüttelte den Kopf. »Nein, nein, Monsieur. Gehalten hat er, nicht nur versprochen. Schaut Euch nur um: neue Bögen, sauberes Werkzeug, selbst die Presse dort ist generalüberholt worden, seit Ihr zuletzt hier wart.« Mit wenigen Schritten trat er zu der klobigen Konstruktion aus Holz und Metall und strich ihr nahezu liebevoll über die Seite.
    Verständnislos schüttelte Zamorra den Kopf. »Das ist unmöglich. Seit unserem nächtlichen Treffen können doch höchstens zwei Tage vergangen sein. Wo habt Ihr so schnell all diese Materialien herbekommen? In derart kurzer Zeit?«
    »Das«, antwortete Gensfleisch, und sein Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen, das wie ferngesteuert wirkte, »ist eine gute Frage. Wie würde mein neuer Mäzen sagen? ›Wenn die Zeit das Element einer Gleichung ist, das dich am Erreichen deiner Ziele hindert, dann sollte die Zeit auch das Element sein, das man aus der Gleichung entfernen muss.‹«
    Da war es! Da war die Verbindung, nach der der Meister des Übersinnlichen die ganze Zeit gesucht, das eine Teilstück dieses Puzzles, das ihm zum Gesamtbild noch gefehlt hatte. Die Erkenntnis traf ihn mit solcher Wucht, dass ihm schwindelig wurde. Oh, er kannte diesen Satz. Sehr gut sogar. Und mit einem Mal verfluchte er sich dafür, diesen doch eigentlich so offensichtlichen Zusammenhang nicht bereits viel früher geahnt zu haben. Hinweise, so musste er sich nun schmerzlich eingestehen, hatte es mehr als genug gegeben.
    Die Tür der Werkstatt öffnete sich quietschend, und wie aufs Stichwort hin betrat er den Raum. Der Dämon. Das Wesen, das Aldebars historischem Bericht zu Folge der Initiator und die Ursache dieses ganzen, unheilvollen Geschehens gewesen war.
    Eine Gestalt aus undurchdringlicher, Substanz gewordener Finsternis. Leuchtende Augen, rot wie die Glut der Hölle. Ein Wesen, das Zamorra in Trier besiegt zu haben geglaubt hatte.
    »Hallo Professor«, sagte die rätselhafte Kreatur, die sich vor einigen Wochen an der Mosel fälschlich als Odin ausgegeben und allerhand Unfug getrieben hatte, bis Zamorra und Nicole ihr Einhalt geboten hatten. [5] »Nett von Ihnen, dass Sie extra gekommen sind, um mir bei meinem finalen Triumph zuzuschauen. Sie haben es gerade noch geschafft.«
    Der Finstere trat zu Gutenberg und reichte diesem einen dicken, in auf ekelerregende Weise lebendig wirkendes Leder eingebundenen Stapel Papier. »Das ist das Original, Meister Gensfleisch«, sagte er daraufhin. »Das ist die Handschrift, deren Text zu vervielfältigen ich Euch gebeten habe. Auf dass alle Welt ihn lese. Nun geht hin und vollführt Eure schwarze Kunst.« Er kicherte. »Übrigens ein sehr passender Ausdruck, finden Sie nicht, Professor? Schwarze Kunst?«
    Fassungslos sah Zamorra zu, wie Gutenberg das sinistre Dokument untertänigst in die Hand nahm, zur Druckerpresse ging und mit seiner Arbeit begann. Der Meister des Übersinnlichen hatte geglaubt, der Veränderung der Zeitlinie durch eine einfache Reise zu deren Ursprung im Mainz des Jahres 1455 entgegenwirken zu können. In diesem Moment der absoluten Hilflosigkeit jedoch wusste er, dass er nie weiter von der Lösung dieses Problems entfernt gewesen war.
    Und wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, glaubte er nicht länger, es überhaupt noch lösen zu können. Die Zukunft der gesamten Menschheit war, daran hatte er in diesem furchtbaren Augenblick keinerlei Zweifel mehr, vernichtet.
    ENDE
    [1] Siehe Professor Zamorra Nr. 897 »Monster-Maar«
    [2] Siehe Professor Zamorra Nr. 805 »Der Echsenvampir«
    [3] Siehe Professor Zamorra Nr. 885 »Die Kralle des Jaguars«
    [4] Siehe Professor Zamorra Nr. 897 »Monster-Maar«
    [5] Siehe Professor Zamorra Nr. 907 »Imperium der Zeit«
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