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090 - Moerderische Knochenhaende

090 - Moerderische Knochenhaende

Titel: 090 - Moerderische Knochenhaende
Autoren: Frank Sky
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etwas auf dem Herzen hatte, und sie wartete auf die Gelegenheit, mit ihr allein sprechen zu können.
    Die Marchesa Luisa saß an der Stirnseite des Tisches und stocherte mit unnahbarer Miene in ihrem Essen. Sie hatte keinen Appetit und war verärgert darüber, daß die Zwillinge in der Kapelle gewesen waren, obwohl sie doch hätten merken müssen, daß ein Gewitter heraufzog.
    „Sie sollten sich endlich dazu entschließen, Marchesa, einen Blitzableiter an der Kapelle anzubringen“, sagte di Abbaccio, nachdem Luisa di Cosimo nicht auf seine kleinen Erzählungen eingegangen war. „Sonst wird sie eines Tages wirklich abbrennen.“
    „Ich wollte, der alte Kasten wäre in Feuer aufgegangen.“
    „Warum reißen Sie sie nicht ab, wenn Sie sie so wenig mögen?“
    „Es war der ausdrückliche Wunsch meines Mannes, sie zu erhalten.“
    Piero di Abbaccio griff nach seinem Glas und trank einen Schluck.
    „Dann allerdings werden Sie warten müssen, bis das Schicksal helfend eingreift. Hat jemand Streichhölzer dabei?“
    „Ich finde Ihre Witzchen geschmacklos“, sagte die Marchesa.
    „Witze sind immer geschmacklos“, erwiderte er ungerührt. „Zumindest, wenn sie auf Kosten anderer gehen – und das tun sie fast immer. Nun, da ich einzig und allein aus Sorge um Sie und Ihre Angehörigen sprach, liebe Marchesa, möchte ich Ihnen wenigstens empfehlen, die Kapelle so abzuschließen, daß niemand mehr hineingehen kann.“
    „Warum?“
    „Weil vorbeugen besser ist als heilen.“
    „Man muß ja nicht unbedingt bei Gewitter in die Kapelle gehen. So – und jetzt reichts. Silvana, Julia, wie wäre es mit etwas Musik?“
    „Gern, Mama“, erwiderte Silvana. „Gehen wir in den Salon hinüber, oder soll ich eine Platte spielen?“
    „Eine Platte.“
    „Hast du einen bestimmten Wunsch? Mozart, Beethoven, Chopin oder…“
    „Nimm nur etwas, was du möchtest.“
    Julia öffnete einen Schrank, der mit Langspielplatten gefüllt war. Sie blickte sich zu Piero di Abbaccio um, als erwarte sie, von ihm einen Hinweis darauf zu bekommen, was er hören wollte. Dabei griff sie wahllos in den Schrank. Sie legte die Platte auf, ohne sich vorher genau anzusehen, um was es sich überhaupt handelte. Carlotta, die sie beobachtete, gewann den Eindruck, daß sie sich überhaupt nicht für die Platte interessierte und auch keine Lust hatte, Musik zu hören, sondern nachlässig einfach nur tat, was man ihr aufgetragen hatte.
    Julia wurde erst aufmerksamer, als die die Klänge eines Spinetts hörte.
    „Was habe ich da erwischt?“ fragte sie überrascht und betrachtete die Plattenhülle.
    Die Marchesa wurde blaß.
    „Aufhören“, rief sie scharf. „Nimm die Platte sofort herunter.“
    Ein weiblicher Sopran nahm die Melodie auf. Julia gehorchte nicht, neugierig ließ sie die Platte weiterlaufen.
    Silvana stimmte in den Gesang ein: „Bernstein vergeht – Kohle besteht. Dein Leben verrinnt – wie der Sand im Wind.“
    Die Marchesa erhob sich, eilte zum Plattenspieler und riß die Schallplatte herunter. Betroffen fuhr Julia zusammen. Sie blickte ihre Mutter an, ohne zu begreifen.
    „Woher kennst du dieses schreckliche Lied?“ fragte die Marchesa zornig.
    „Ich kenne es nicht.“
    „Du hast es mitgesungen“, sagte Luisa di Cosimo anklagend zu Silvana.
    Julia eilte an ihrer Mutter vorbei und verließ das Zimmer. Silvana lehnte sich trotzig auf ihrem Stuhl zurück und schwieg hartnäckig.
    „Willst du mir nicht antworten?“
    „Nein“, sagte Silvana. „Ich weiß nicht, was der Blödsinn soll.“
    „Geh auf dein Zimmer.“
    Silvana erhob sich, zuckte gleichgültig mit den Schultern, blickte Carlotta Vespari zaghaft lächelnd an, womit sie zu erkennen gab, daß sie sich darüber klar war, nicht korrekt gehandelt zu haben, und ging hinaus.
    „Es tut mir leid, Piero“, sagte die Marchesa zu dem Nachbarn. „Die Mädchen waren in der Kapelle, als der Blitz einschlug. Wahrscheinlich haben sie einen Schock bekommen. So kenne ich sie sonst gar nicht.“
    „Sie haben recht. Es wird der Schock sein.“
    „Ich fühle mich nicht wohl, Piero. Würden Sie mir erlauben, mich zurückzuziehen?“
    Di Abbaccio erhob sich höflich, reichte der Marchesa die Hand und wartete, bis er mit Carlotta Vespari allein war. Die attraktive Erzieherin ging zum Plattenschrank und verschloß ihn.
    „Julia macht mir Sorge“, sagte sie.
    Er setzte sich, zündete sich eine Zigarette an und beobachtete Carlotta genüßlich durch den aufsteigenden Rauch hindurch.
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