Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
090 - Moerderische Knochenhaende

090 - Moerderische Knochenhaende

Titel: 090 - Moerderische Knochenhaende
Autoren: Frank Sky
Vom Netzwerk:
zögerte. Ihre Hände zitterten noch heftiger als vorher. Alle sahen sie an. Auch die Erzieherin hob den Kopf. Schließlich seufzte die alte Dame.
    „Silvana, den Schlüssel.“ Sie reichte ihrer Tochter einen Safeschlüssel. Das Mädchen mit den schwarzen Augen eilte die Treppe hinauf.
    Die anderen warteten schweigend, bis sie nach etwa zwei Minuten zurückkehrte. Adriano nahm den Türschlüssel entgegen und schloß auf.
    „Leer“, sagte er, betrat das Zimmer und ging sofort zum Flügel. Er rüttelte an dem Deckel, der die Tasten schützte. „Verschlossen.“
    Auch die anderen kamen nach und nach herein. Alle näherten sich dem Flügel. Nur Carlotta Vespari blieb an der Tür stehen, als fürchte sie sich.
    „Was ist das?“ fragte Julia. „Das riecht ja so!“
    Auf dem Flügel befanden sich einige Tropfen einer zähflüssigen, schleimigen Substanz. Adriano beugte sich darüber und richtete sich wieder auf.
    „Mutter Maria“, sagte er stöhnend. „Das ist Verwesungsgeruch.“
    Er drängte die anderen zurück und sah sich auf dem Fußboden um, wo er noch einige weitere Tropfen und Fleischstückchen fand. Er wurde bleich und würgte.
    „Das sieht aus, als habe er Fleischfetzen verloren.“
    „Ich habe es doch gesagt“, bemerkte Carlotta stammelnd. „Dieser Mann saß am Flügel und spielte. Und er hob Hände, die verwest waren. Deshalb habe ich so geschrien. Ich habe die Tür zugeschlagen und wollte weglaufen, aber ich… ich konnte nicht… ich konnte einfach nicht so, wie ich wollte… ich…“
    Adriano di Cosimo kam zu ihr.
    „Schon gut, Signorina. Es tut mir leid, daß ich Sie vorhin so angefahren habe.“
    „Aber so etwas gibt es doch nicht“, sagte Julia verstört. „Vater ist tot. Das wissen wir doch alle. Tote können nicht Klavier spielen. Sie können sich nicht mehr bewegen. Sie können nicht…“
    Sie setzte sich auf einen Stuhl und blickte mit leeren Augen vor sich hin.
    „Ich konnte ja nicht wissen, daß Ihr Vater so ausgesehen hat“, bemerkte Carlotta Vespari stockend. „Sonst hätte ich den Mann ganz anders beschrieben, um Ihnen den Schock zu ersparen.“
    „Beruhigen Sie sich“, bat Adriano und legte tröstend den Arm um ihre Schultern. „Ich glaube, niemand von uns macht Ihnen einen Vorwurf.“
    Er nahm einen Aschenbecher und ein Obstmesser von einem Tisch und kratzte etwas von der schleimigen Masse ab.
    „Ich werde es untersuchen lassen“, kündigte er an. „Schließlich muß man ja feststellen können, ob dies wirklich menschliche Substanz ist, oder ob uns jemand einen üblen Streich spielen wollte.“
    „Ich schlafe heute nacht nicht allein“, erklärte Julia.
    „Wir können in einem Zimmer schlafen“, entgegnete Silvana.
    „Ich biete mich auch gern an“, sagte Adriano lächelnd.
    „Der Herr Cousin ist und bleibt ein taktloser Flegel“, erwiderte Silvana mit zornig blitzenden Augen.
    Adriano grinste.
    „Bitte, Signorina Carlotta, verzeihen Sie mir meine harten Worte von vorhin“, sagte er. „Sie waren nicht so gemeint. Sie können ja schließlich nichts für diesen unangenehmen Vorfall. Ich bin sicher, daß alles eine natürliche Erklärung finden wird. Dies ist ein ganz normales Schloß, in dem es nie gespukt hat, und in dem nie etwas Erwähnenswertes vorgekommen ist – es sei denn, man würde meine Geburt als ein besonderes Ereignis ansehen. Gute Nacht.“
    „Gute Nacht.“
    Die Erzieherin zog sich zurück. Adriano blickte ihr nach.
    „Sie tut mir leid“, erklärte er, als sie die Treppe hinaufging. „Sie hat schließlich nichts mit diesen Dingen zu tun.“
    „Ich möchte, daß du den Mund hältst“, erwiderte die Marchesa mit schneidend scharfer Stimme.
    „Ich verstehe das alles nicht“, bemerkte Silvana. „Dies ist doch ein ganz normales Schloß. Adriano hat schon recht. Hier hat es nie gespukt – oder doch?“
    „Ihr geht jetzt ins Bett“, befahl die Marchesa, ohne auf die Frage einzugehen.
     

     

Am nächsten Morgen herrschte bedrücktes Schweigen im Schloß. Alle schienen sich darin einig zu sein, den Vorfall der letzten Nacht nicht zu erwähnen. Dabei dachten sie doch ständig daran, so daß zu keiner Zeit eine gelockerte Konversation aufkam.
    Carlotta Vespari widmete sich den Zwillingen. Sie wollte wissen, wie intelligent die Mädchen waren und was sie gelernt hatten. Obwohl Julia und Silvana sich keineswegs begeistert zeigten, prüfte sie sie den ganzen Tag über, so daß sie am Abend vollkommen erschöpft waren. Die Zwillinge
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher