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0889 - Eishauch des Todes

0889 - Eishauch des Todes

Titel: 0889 - Eishauch des Todes
Autoren: Christian Montillon
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der ihren unfertigen Körper prägte. So unendlich viel mehr. Und es war nur der Anfang.
    Schon bildete sich ein zweites Gespinst aus dem Schnitzer. Und ein drittes.
    »Ich erinnere mich an jedes einzelne«, sagte der tote Mund.
    Im Körper der Puppe begann lebendiges Blut zu kreisen, das Herz schlug und pulsierte es durch die Adern.
    Die Puppe nahm die beiden neuen Gespinste auf.
    Dann das Vierte.
    Und Fünfte.
    ***
    Professor Zamorra warf sich in das Taxi und schmetterte die Tür zu. »Na los!«, rief er dem Fahrer zu und nannte die Adresse. »Drücken Sie auf die Tube! Wenn Sie es in zehn Minuten schaffen, zahle ich Ihnen den vierfachen Fahrtpreis!«
    »Und was nützt mir das, wenn ich tot bin?«
    »Ihrer Frau nützt es schon was«, sagte der Meister des Übersinnlichen sarkastisch. »Aber plappern Sie nicht, fahren Sie!«
    Der Kavaliersstart schleuderte ihn in den Sitz.
    »Richtig so?« Das breite Grinsen zeigte blitzendweiße Zähne. »Oder sollte ich besser…« Der Motor röhrte, als der dritte Gang förmlich eingeprügelt wurde.
    Zamorra schnallte sich hastig an. »Ich sehe schon, wir verstehen uns.«
    Sie jagten durch Lyons Straßen, und als vor ihnen eine Ampel auftauchte, die gerade auf Rot schaltete, drückte der Fahrer das Gaspedal noch tiefer durch. Der Wagen jagte auf die Kreuzung, und die Reifen quietschten protestierend, als der Fahrer abbog. »Richtig so?«
    »Ich zahle jeden Strafzettel«, quetschte Zamorra heraus. Er war es gewohnt, mit Nicole zu fahren, die bei jeder Gelegenheit einen äußerst rasanten Fahrstil hinlegte - aber das hier war schlicht und einfach mörderisch. Aber er beschwerte sich nicht und vertraute darauf, dass der Fahrer solche Scherze nicht zum ersten Mal trieb.
    In der Tat kamen sie lebendig an ihrem Zielort an.
    »Macht genau zwölf…«
    Zamorra warf einen Fünfziger auf das Armaturenbrett. »Machen Sie Feierabend für heute.« Er riss die Tür auf und rannte zum Eingang des Hauses, das er während des Rituals vor sich gesehen hatte.
    Beiläufig hörte er, wie das Taxi hinter ihm startete. Sehr gut - er konnte keine Zeugen gebrauchen, wenn er zum zweiten Mal an diesem Tag auf höchst unsanftem Weg in ein Haus eindrang.
    Diesmal hielt er sich nicht lange mit Klingeln auf. Er wählte gleich die Methode, die ihn an einen Roman erinnerte, den er am Pool gelesen hatte, ehe die Puppe angegriffen hatte - ein deutscher Thriller. Ein angenehmer Nebeneffekt seiner Vielsprachigkeit war, dass er Literatur aus jedem Land lesen konnte. Also ging er genauso rabiat vor wie jener FBI-Agent im Roman und schmetterte die Tür mit einem gezielten Tritt aus dem Schloss.
    Ihm bot sich ein unfassbarer Anblick, der ihm den Atem verschlug. Ohne zu zögern stürmte er in den Raum. »Was immer hier vorgeht - aufhören!«
    Der dürre Schnitzer lag auf dem Boden, der Körper steif und die Augen im wahrsten Sinn des Wortes zerbrochen. Die letzte Puppe kniete vor ihm, und zwischen ihnen spannte sich eine Nebelbrücke. Aus dem dürren Leib lösten sich weißliche Gespinste, schwebten auf die Puppe zu und verschwanden in deren Mund.
    »Störe uns nicht, Zamorra«, sagte der Dürre, dessen gesamter Leib von einer dünnen Schicht filigranen Eises überzogen war. Er erhob sich, steif und ungelenk, und es knarrte und krachte.
    Der rechte Arm brach ab und fiel zu Boden. Hölzern… er war hölzern.
    »Du bist selbst eine Puppe«, sagte Zamorra fassungslos.
    »Ich war ein Mensch aus Fleisch und Blut, doch ich bin tot.« Der Schnitzer ging auf Zamorra zu. Überall knackte es hohl, dann brach auch eines der Beine in Höhe des Knies ab. Der Schnitzer blieb stehen, um das Gleichgewicht zu wahren. »Diesen Leib gebe ich auf nach tausend Jahren - er hat seinen Zweck erfüllt.«
    Das abgebrochene Bein erhob sich vom Boden und richtete sich mit dem zersplitterten Ende auf Zamorra aus.
    »Geh… es ist bald vorüber. Geh!«
    Die weibliche Puppe stand nach wie vor ungerührt. Noch immer stiegen Nebelgespinste aus dem toten Körper des Schnitzers - die Essenz aus vielen Existenzen, begriff Zamorra. Sie wechselte in den neuen Körper, in den Leib, den der Schnitzer erschaffen und der sich dann perfektioniert hatte. Ein Gefäß, bereit vor seinen Schöpfer.
    Der Kreislauf vollendete sich ein weiteres Mal.
    »Wo kommen wir her, Zamorra? Was ist unser Ursprung, was unser Ziel? Werden wir es je erfahren? Du fragst dich das, meine Kinder fragen sich das… ich jedoch weiß es!«
    Und mit jedem geisterhaften Nebelgespinst, das
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