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084 - Mord aus dem Jenseits

084 - Mord aus dem Jenseits

Titel: 084 - Mord aus dem Jenseits
Autoren: Earl Warren
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saß die Haut auf den Knochen des fleischlosen Schädels.
    Im ersten Augenblick empfand Romen Abscheu und eine ungewisse Furcht. Er faßte sich aber schnell und redete sich ein, daß solche Empfindungen kindisch seien.
    „Ein schönes Stück“, sagte der Musiker, um Braun nicht zu kränken.
    Der Millionär geriet ins Schwärmen. „Ein herrliches Exemplar!“ sagte er. „Sein Wert für die Wissenschaft ist unschätzbar. Ich werde die Mumie wohl einem Museum zur Verfügung stellen, damit auch andere sie sehen und bewundern können. Aber erst in ein paar Wochen oder Monaten, denn so lange will ich mich allein am Besitz dieses schönen Stücks erfreuen. Was ist denn das?“
    Die beiden Männer und die Frau lauschten. Vor der Villa erklang eine Flötenmelodie. Makabre, disharmonische Töne, die sich seltsam unirdisch anhörten und aus einer anderen Welt zu kommen schienen, aus einer fremden, von Dämonen und Geistern bewohnten Welt.
    Die Töne klangen klar und deutlich, kaum gedämpft durch Mauern und Entfernung, und schnitten ins Gehör der drei Menschen.
    „Was … was ist das?“ stammelte Braun.
    Robert Romen, der fünf Instrumente beherrschte und Musik studiert hatte, sagte: „Das ist eine völlig fremde Art der Komposition und Intonation. Gewisse Anklänge zu den Flötenmelodien der Inkanachkommen in den Anden sind zwar vorhanden, aber diese Melodie ist doch wieder ganz anders. Eine solche Melodie habe ich noch nie gehört.“
    „Es klingt grausig“, sagte Gerda. „Schaurig und unirdisch. Ob das die Melodie des Grauens ist, von der er gesprochen hat?“
    „Die Melodie des Grauens?“
    Sebastian Braun, Robert Romen und Gerda Link standen an einem Fenster der Südseite, das den Blick auf den Park und die Ausfahrt freigab. Eine hohe, sorgfältig geschnittene Buchsbaumhecke schützte das Grundstück vor neugierigen Blicken. Innerhalb der Hecke befand sich ein Stacheldrahtzaun, der Unbefugten den Zutritt verwehrte.
    Heller Sonnenschein lag über den Hügeln, Wäldern und Tälern des Taunus. Trotzdem erzeugten die disharmonischen Flötentöne eine kalte, bedrohliche Atmosphäre. Von dem Flötenspieler war nichts zu sehen. Er mußte irgendwo jenseits der Hecke stehen.
    „Es sind die Schwingen des Todes, die unser Ohr berühren“, sagte Gerda Link voller Furcht. „Calaveras hat es dir gesagt.“
    „Calaveras!“
    Wie auf ein Stichwort trat der Indio hinter der Hecke hervor. Er stand vor dem schmiedeeisernen Tor an der Einfahrt, und hielt die Flöte am Mund, der er die fremdartige Tonfolge entlockte.
    „Das lasse ich mir nicht bieten. Dem Kerl sage ich die Meinung!“ tobte Sebastian Braun wütend.
    „Sebastian!“
    Auf Gerdas Schreckensschrei wirbelten die beiden Männer herum. Jäh brach die Flötenmelodie ab. Die Töne schienen noch in der Luft zu schweben, klangen im Gehör nach.
    „Was ist denn?“
    „Die Mumie! Sie wollte aus dem Sarg steigen.“
    „Wie bitte?“
    „Ja sie hat sich aufgesetzt und zu uns hergesehen. Ihr beide habt ihr den Rücken zugekehrt. Aber ich habe es deutlich gesehen. Sie fletschte die Zähne und streckte die Klauenhände nach uns aus.“
    „Gerda, hast du etwa wieder gehascht?“
    „Nein, Sebastian.“ Die junge Frau war bleich geworden. Sie wandte sich Robert Romen zu.
    „Es ist schon fast ein Jahr her, daß ich auf einer Party bei Freunden aus Neugierde Haschisch geraucht habe. Sebastian hat keinen Grund, mir das immer noch vorzuwerfen. Ich bin bei klarem Verstand. Die Mumie wollte wirklich aus dem Sarg steigen.“
    „Unsinn – Cuitlahuac ist seit fünfhundert Jahren tot!“ rief Sebastian Braun. „Ich habe im Krieg in Rußland und Afrika jede Menge Tote gesehen, und ich weiß, daß keiner mehr aufsteht.“
    Sebastian Braun und Robert Romen traten an den Sarkophag. Gerda Link, am ganzen Körper zitternd, blieb am Fenster stehen. Sie biß sich vor Erregung in die Hand, die sie vor den Mund gepreßt hielt.
    Die Mumie lag reglos an ihrem Platz. Sebastian Braun berührte sie am Arm, hob ihn etwas an und ließ ihn in die vorige Lage zurückgleiten.
    „Tot“, sagte er. „Mausetot. Vielleicht solltest du einen Arzt aufsuchen, Gerda. Du hast eine Halluzination gehabt.“
    „Ich bin doch nicht verrückt. Ich weiß, was ich gesehen habe. Die Mumie richtete sich auf. Als die Flötenmelodie verstummte, glitt sie wieder in ihre frühere Lage zurück.“
    „Welch ein Unsinn! Was soll denn die Flötenmelodie damit zu tun haben? Nun hör aber auf, Gerda.“
    Sebastian Braun
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