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084 - Mord aus dem Jenseits

084 - Mord aus dem Jenseits

Titel: 084 - Mord aus dem Jenseits
Autoren: Earl Warren
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Augenblicken zwischen Schlaf und Erwachen hatten schreckliche, grausige Bilder den Hotelier heimgesucht. Noch jetzt warfen die Alptraumvisionen ihre Schatten über sein Gemüt.
    Trent sah die Koffer unausgepackt im Zimmer stehen. Er musterte die beiden merkwürdigen Gäste.
    „Ihre Musikleidenschaft in Ehren, Senor Calaveras“, sagte der Hotelier. „Aber ich möchte Sie bitten, auf die anderen Gäste etwas mehr Rücksicht zu nehmen. Viele Leute kommen zur Kur hierher und brauchen Ruhe. Ihnen kann man eine Störung des Mittagsschlafes nicht zumuten. Es wäre überhaupt angebracht, wenn Sie nicht zu oft solch eigenartige Melodien spielen würden, Senor Calaveras.“
    Der Mexikaner zeigte sich jetzt feindselig.
    „Was geht es Sie an, welche Melodien ich spiele?“
    „Nichts. Ich schätze jeden Gast, der bei mir wohnt aber Sie würden sicherlich auch reklamieren, wenn ich zum Beispiel einen Dudelsackbläser hier einquartierte und Sie mit seiner Musik zur Verzweiflung brächte.“
    Calaveras zischte etwas auf Spanisch. Der Hotelier verstand nicht, was er sagte. Aber er hielt es für einen Fluch. Es funkelte gefährlich in den Augen des Mexikaners. Einen Moment glaubte Trent, der Indio wolle tätlich werden.
    Der weißhaarige Portier – trotz seines Alters recht streitsüchtig und noch recht rüstig – trat näher.
    Doch Calaveras klatschte nur scharf in die Hände.
    „Antonio!“ rief er.
    Der bleiche Mann richtete die glanzlosen Augen auf seinen Herrn. Es schien der starre Blick eines Toten zu sein.
    Calaveras sagte rasch etwas in einer fremden Sprache. Antonio nickte mehrmals, ruckhaft wie ein Metronom. Er ging zum Fenster, zog den Rolladen hoch und blieb dann wieder reglos und steif stehen, dem Hotelier und dem Portier den Rücken zukehrend.
    Grelles Sonnenlicht strömte ins Zimmer.
    „Sehr oft pflege ich nicht zu musizieren“, sagte Calaveras. Er ließ sich nichts anmerken, doch aus einem dem Hotelier unerfindlichen Grund schien er erleichtert zu sein. „Wenn Sie derartigen Wert auf die Siesta Ihrer Gäste halten, Senor, werde ich die kurze Zeit, die ich mich mit der Flöte beschäftige, in die späten Morgen – oder frühen Abendstunden verlegen. Wenn ich außerdem noch das Fenster schließe, dürfte wohl niemand mehr Anstoß nehmen, oder?“
    Das letzte Wort stieß er wieder scharf und aggressiv hervor.
    „Sobald Sie nicht zu oft und zu lange spielen, Senor, wohl nicht. Ich bin kein Kenner alter indianischer und aztekischer Volksweisen, Senor Calaveras, und ich möchte Ihnen auch nicht zu nahe treten, doch der musikalische Geschmack der Völker ist verschieden. Ihnen mögen die Töne die Sie gerade Ihrer Flöte entlocken, schön erscheinen. Doch für die Mehrzahl meiner Gäste sind es atonale Dissonanzen.“
    Voller Wut und Empörung sah der Indio den kahlköpfigen Hotelier an. Calaveras Brust hob und senkte sich in tiefen Atemzügen. Er schnaubte vor Grimm.
    „Wir haben alles besprochen, was es zu besprechen gibt, Senor. Buenos Dias!“
    Er warf dem Hotelier die Tür vor der Nase zu. Der blieb einen Augenblick im Flur stehen und überlegte, was er tun sollte. August Trent war trotz seines etwas ungeschlachten Äußeren ein alerter, sehr höflicher und beherrschter Mann. Dreißig Jahre im Hotel – und Gaststättengewerbe hatten seine Manieren geschliffen und ihn gelehrt, auch mit schwierigen Gästen umzugehen.
    Trent beschloß, die Angelegenheit vorerst als erledigt zu betrachten.
    „Gehen Sie wieder an die Rezeption zurück“, sagte er zu dem Portier, als sie den teppichbelegten Hotelflur entlangschritten. „Sind die Engländer schon gekommen, die sich für heute vormittag angesagt haben?“
    „Nein, Chef. Haben Sie gesehen, wie der Indio sich aufgeregt hat, als Sie etwas über seine Katzenmusik sagten? Dem ist fast der Dampf aus Nase und Ohren geschossen. Ein finsterer Bursche, dieser Senor Calaveras. Dem möchte ich nicht im Dunkeln begegnen. Sein Diener sieht aus, als wäre er schon ein paar Wochen tot und hätte nur das Umfallen vergessen.“
    Trent lachte.
    „Wir sind schon mit schlimmeren Gästen fertiggeworden, Herr Bahlsen. Erinnern Sie sich noch an die Operettendiva, die mitten in der Nacht Koloraturen zu schmettern anfing? Dabei klang ihre Stimme wie eine rostige Garagentür, wenn sie in die höheren Tonlagen kam.“
    „Wer könnte sie vergessen, Herr Trent. Aber schlimmer als der Mexikaner? Ich weiß nicht – mir sind die beiden unheimlich.“
     

     
    Robert Romen preschte
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