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0692 - Herr der Schattenburg

0692 - Herr der Schattenburg

Titel: 0692 - Herr der Schattenburg
Autoren: Jason Dark
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hafteten die Eindrücke der jüngsten Vergangenheit noch an ihr. Hastig schloß sie die Tür und brachte den kleinen Eimer in die ebenfalls kleine Einbauküche, die alles enthielt, was man brauchte.
    Sie stellte ihn weg. Wieder zitterte sie. War das normal? Reagiere ich überreizt?
    Fred kam. Sie hörte seine Schritte. Normal klangen sie, keineswegs zitternd oder nervös.
    Ann richtete sich auf. Gleichzeitig strichen Freds Hände über ihre Hüften. Er merkte, daß sie zitterte, hauchte ihr einen Kuß auf die Wange und lachte warm.
    »Was ist denn los mit dir?«
    Ann holte tief Luft. Jetzt mußte sie eine Antwort geben. Jetzt konnte sie ihm sagen, was sie erlebt hatte und wie die Furcht über sie gekommen war. Jetzt war der richtige Zeitpunkt…
    »Du bist so kalt und zitterst. Was hast du?«
    Ann senkte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Fred. Ich… ich weiß es einfach nicht.«
    Ohne daß sie etwas dazugetan hätte, faßte er fester zu und drehte sie herum.
    Sie schaute in sein Gesicht.
    Es hatte sich im Vergleich zu den vergangenen fünfundzwanzig Jahren nicht viel verändert. Okay, Fred war älter geworden, wie jeder älter wurde, der nicht gerade jung starb. Die Jahre hatten Linien in seine Haut gezeichnet, der Bart war grau geworden. Die kleinen Lachfältchen, die Ann schon so gemocht hatte, als sich beide kennenlernten, waren größer geworden.
    Sie fiel plötzlich in die Arme ihres Mannes und weinte, ohne daß sie es eigentlich wollte.
    »He, he, meine kleine Ann. Himmel, was ist denn passiert? Du darfst doch nicht weinen, du…«
    Sie weinte weiter. Es tat gut, den Widerstand ihres Mannes zu spüren. Fred gehörte zu den Menschen, die immer Rat wußten, die ihr sagen konnten, wo es langging. Er machte Nägel mit Köpfen, er würde sie auch verstehen, weil er sich immer gut in die Psyche anderer Menschen hineinversetzen konnte. Das sagten jedenfalls viele Freunde.
    »Willst du mir nicht sagen, was…?«
    »Bitte, Fred, laß uns fahren!« Urplötzlich hatte sie die Barriere durchbrochen. Es war aus ihr herausgeströmt wie ein starker Fluß. Sie… sie mußte es tun.
    Fred Morland war überrascht. Er schüttelte zunächst den Kopf, was seine Frau nicht sehen konnte, dann räusperte er sich, hielt Ann nach wie vor umfangen, spürte sehr genau, wie sie zitterte und bebte, und merkte natürlich, daß diese Worte nicht so einfach dahingesagt, sondern sehr echt und ehrlich gemeint waren.
    »Fahren willst du?«
    Sie nickte heftig und schabte dabei mit der Stirn über Freds dünnes Polohemd.
    »Aber warum?«
    »Ich habe Angst!«
    »Vor mir?«
    Er hatte es im Scherz gemeint, und beinahe hätte sie noch gelacht, aber sie verbiß sich diese Reaktion. »Nein, nicht vor dir, aber vor dem… dem Wagen.«
    Fred überlegte. Er konnte es kaum fassen. Ann war sonst nicht so. Weshalb hatte sie plötzlich vor dem Wohnmobil Angst. Klar, es war ihre erste Reise damit, aber doch nicht die erste Nacht, die sie in der rollenden Wohnung verbrachten.
    Da mußte etwas anderes dahinterstecken.
    »Bitte, Ann«, sagte er leise, »wir sind hier sicher, glaube es mir. Wir sind…«
    »Ich meine nicht unseren Wagen.«
    Er lachte auf. »Das ist beruhigend. Ich hatte schon Angst gehabt, das Falsche getan zu haben.«
    »Es ist der andere…«
    »Der Truck?«
    »Nein, der neue!«
    Fred sagte nichts. Er überlegte und kam zu dem Entschluß, daß er von einem neuen Wagen nichts gehört und nichts gesehen hatte. »Tut mir leid, Ann, daß ich dir da nicht folgen kann, aber welchen Wagen meinst du denn?«
    Sie schob ihn aus dem kleinen Viereck der Küche und drückte sich an ihm vorbei. Ann wollte dorthin, wo die Lampe über dem kleinen Tisch brannte. Der Schein verteilte sich warm auf der Tischplatte und brach sich blitzend im Glas der beiden Champagnergläser sowie im Metall des mit Eis gefüllten Sektkühlers, aus dem der Hals einer Flasche hervorschaute, der von einem weißen Tuch umhängt war.
    Sogar eine weiße Decke hatte Fred ausgebreitet. Sie hatten sich hinsetzen und die letzten fünfundzwanzig Jahre noch einmal Revue passieren lassen wollen. Es wäre sicherlich wunderschön gewesen, aber dieser verfluchte Wagen hatte die Stimmung zerstört.
    Ann hörte Freds Schritte, als er näher kam, neben dem Tisch stehenblieb und seine gespreizten Hände auf die Decke stemmte. Mit gerunzelter Stirn und hochgeschobenen Augenbrauen schaute er seine Frau an, die sich verlegen vorkam wie ein kleines Mädchen und sich sagte, daß sicherlich alles Unsinn und
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