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0692 - Herr der Schattenburg

0692 - Herr der Schattenburg

Titel: 0692 - Herr der Schattenburg
Autoren: Jason Dark
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ausrutschte, den Halt verlor und sich ebenfalls auf dem Boden wiederfand.
    Wenn ich sehr genau hinschaute, konnte ich die Schatten sehen. Sie erinnerten mich an Glas, das einen leicht rauchigen oder aschigen Farbton bekommen hatte.
    Nur ich stand noch.
    Denn ich hatte mein Kreuz!
    Ich wollte zu der Frau, um sie zu retten, aber da waren plötzlich die Hindernisse, die mich zwar nicht abhalten konnten, aber so schnell wechselten, daß ich immer wieder von ihnen abgehalten wurde, wenn ich gegen sie prallte.
    So kam ich nur langsam voran, begleitet von den wimmernden Lauten der Gequälten.
    Das hier konnte ich nicht gewinnen, es war unmöglich. Immer wieder bauten sich Hindernisse auf.
    Es war wie ein Spiegellabyrinth auf dem Jahrmarkt. Beinahe hätte ich über den Vergleich sogar gelacht, denn ich dachte daran, daß der Fall praktisch auf dem Jahrmarkt begonnen hatte.
    Ich wollte die Richtung beibehalten. Mein Kreuz half mir, denn immer wieder räumte es die Schattenhindernisse zur Seite, um einen Moment später aufzugeben, weil sich wieder eine neue Ecke oder ein Hindernis aufgebaut hatte.
    Es war der perfekt inszenierte Irrsinn, ein dämonisches Labyrinth, aus dem ich nicht herauskam, weil sich immer wieder neue Fallen und Hindernisse aufbauten.
    Hin und wieder gelang mir ein Blick auf die gequälten Menschen. Sie waren noch nicht erdrückt worden, aber sie lagen jetzt am Boden. Selbst Suko hatte dem Druck nichts entgegensetzen können.
    Und sie lagen so, daß mir ihre Gesichter zugewandt waren.
    Was ich darin las, ließ mir die Haare zu Berge stehen. Das Grauen, die Angst, die sich immer mehr steigerte, denn sie wußten, daß sie dem fürchterlichen Tod nicht entrinnen konnten, wenn dies hier so weiterging.
    Es war schrecklich.
    Und der Alte dirigierte. Er weidete sich an meinem verzweifelten Willen, etwas zu verändern, um es letztendlich doch nicht zu schaffen. Er sprach mich an und verhöhnte mich zugleich.
    »Obgleich in dieser Welt irdische Zeitabläufe gelten, werde ich dir sagen, daß man dir noch eine halbe Minute Zeit gibt, bevor deine Freunde vernichtet werden.«
    Eine halbe Minute: 30 Sekunden Grauen und Schrecken, eingefaßt in die Gewißheit, es nicht zu schaffen, denn die andere Seite machte mit mir den Affen.
    Gab es überhaupt noch eine Chance für mich?
    Der Weißbart amüsierte sich. Er genoß es, mich kämpfen und die anderen leiden zu sehen. Mit einer nahezu teuflischen Gelassenheit schaute er zu. Ich hörte Sukos Ruf. Er sagte nur ein Wort, das aber drang tief in meine Seele wie die Schneide eines Schwerts.
    »John…«
    Ich warf mich vor. Wieder tauchte innerhalb eines Sekundenbruchteils ein Hindernis auf. Ich konnte es nicht genau sehen, nur mehr ahnen. Mein Kreuz räumte es aus dem Weg. Als beide zusammentrafen, da schien die graugetönte Schattenwand zu explodieren.
    Ich kam wieder einen Schritt weiter.
    Der Mann aus dem Wohnwagen hatte den Kopf gedreht. Auf mich machte er den Eindruck, als wäre es durch den Druck geschehen.
    Wieder ein furchtbares Bild.
    Die Frau jammerte nur noch. Sie lag flach auf dem Boden, flacher ging es nicht mehr, und aus ihrer Nase rann ein feiner, dunkelroter Blutstreifen. Die Augen erinnerten mich an übergroße, bleiche Kugeln, in denen selbst die Farbe der Pupillen sich zu blassen Kreise verändert hatte.
    Und dann sah ich noch etwas.
    Er war rund, es lag auf dem Boden, und es sah so aus, als gehörte es nicht hierher.
    Eine Münze!
    Ohne Prägung auf der nach oben gedrehten Fläche, sehr flach, aber ich war plötzlich davon überzeugt, daß die Münze etwas mit dieser grauenhaften Magie zu tun hatte. Denn als ich genauer hinschaute, konnte ich den dünnen Streifen oder Hauch erkennen, der von ihrer Oberfläche aus in die Höhe stieg und sich ausbreitete wie ein Trichter, um in Höhe der Baumkronen zu verlaufen oder sich dort mit der Kugel zu vereinen, wobei dort noch immer das gekrümmte Gesicht des Semerias in die Tiefe blickte. Halb Mensch, halb Tier, schaute er zu.
    Die Münze blinkte. Nur sehr schwach, als wollte sie mir zuzwinkern. Ich nahm dies als Verhöhnung und tat so, als würde sie mich nichts angehen.
    Sie lag links von mir. Ich aber wandte mich nach rechts, wo ein Schattenhindernis heranrutschte.
    Das aber interessierte mich nicht, denn noch in der Bewegung glitt ich zur anderen Seite hin.
    Ich fiel zu Boden.
    Dabei glaubte ich, einen erschreckten Laut zu hören, den der Weißbärtige ausgestoßen hatte. Dieser Ruf gab mir den nötigen Mut, und ich
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