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063 - Die Todesengel

063 - Die Todesengel

Titel: 063 - Die Todesengel
Autoren: Paul Wolf
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Mercy.“
    Deborah wollte über den Tisch nach der Milchkanne greifen, doch da wurde sie von ihrem Gegenüber am Handgelenk gepackt.
    „Nein!“ sagte die Frau mittleren Alters, die Deborah als Mrs. Betty Drawson vorbestellt worden war.
    Sie mochte um die Dreißig sein. Betty Drawson sah gepflegt aus und nicht unattraktiv, wenngleich sie sich unvorteilhaft kleidete. Sie ließ Deborahs Hand gleich wieder los und erklärte: „Man tut zuerst Milch in die Schale und gibt erst dann Tee dazu. Anders geht das nicht.“
    „Wenn Sie meinen, Mrs. Drawson“, sagte Deborah.
    „Lassen Sie sich nur nicht einschüchtern, mein Kind“, sagte Schwester Mercy und tätschelte ihr die Schulter. „Wenn Sie Milch zum Tee haben wollen, dann gießen Sie sich nur ein.“
    „Das geht nicht!“ behauptete Mrs. Drawson wieder, diesmal strenger.
    Ihr Mund war zusammengekniffen und bildete einen schmalen Strich. „Wir sollten solche Unsitten nicht einreißen lassen. Die Milch gehört zuerst in die Tasse. Selbst die Königin …“
    „ … ist sich in dieser Streitfrage nicht sicher“, vollendete Dr. Deming den Satz und lächelte gewinnend. „Entschuldigen Sie meine Unterbrechung, Mrs. Drawson. Aber seit man in England Tee trinkt, diskutiert man auch darüber, was zuerst in die Tasse gehört – Tee oder Milch. Man wird wohl in dieser Frage nie zu einer Einigung kommen, ebensowenig, wie man beantworten kann, was denn früher auf der Welt gewesen ist, das Ei oder das Huhn. Deshalb schlage ich vor, daß jeder von uns Tee mit Milch nach eigenem Gutdünken mischen soll.“
    „Bravo!“ rief sein Assistent Dr. Ernest Hillary, der neben ihm an einer der Schmalseiten des Tisches saß.
    Fast alle, außer Mrs. Drawson, zollten Dr. Deming Beifall.
    „Dr. Deming hat wieder einmal mit salomonischer Weisheit eine Entscheidung gefällt“, meinte Schwester Mercy wohlwollend, während sie mit ihrer Teekanne die Runde um den Tisch machte. „Wir wollen, natürlich unter Beachtung der guten Tischsitten, jeden nach seiner Fasson leben lassen.“
    Deborah erschrak, als ihre Nachbarin plötzlich so heftig mit der Faust auf den Tisch schlug, daß das Geschirr klirrte.
    „Ihr tut ja gerade so, als gäbe es nichts Wichtigeres als die Klärung der Frage, wie man seinen Tee trinkt“, rief sie im ärgsten Sohoslang. „Dr. Deming sollte seine Weisheit lieber dafür verwenden, euch zu heilen.“
    „Ihr Benehmen mißfällt mir, Miß Lorraine“, sagte der Mann, der ihr gegenüber und links von Betty Drawson saß.
    Er war Mitte der Vierzig, hatte eine Hakennase und mußte sich ständig Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen, die durch seine heftigen Kopfbewegungen immer wieder nach vorn fielen. Er wirkte überaus nervös, um nicht zu sagen gehetzt.
    Kathrine Lorraine, Deborahs Nachbarin, beugte sich über den Tisch und sagte geheimnisvoll: „Nehmen Sie sich nur in acht, daß ich Ihren Erben nicht einen Wink gebe, Mr. Storm!“
    John Storm sprang erregt von seinem Platz hoch. „Wollen Sie mir etwa drohen?“
    Statt einer Antwort begann Kathrine Lorraine schallend zu lachen.
    „Beruhigen Sie sich wieder, Mr. Storm!“ sprach Schwester Mercy begütigend auf ihn ein und drückte ihn in den Sessel zurück. „Kitty hat das nicht so gemeint. Vergessen Sie nicht, daß auch sie leicht reizbar ist.“
    „Ja, ja, ich weiß“, sagte John Storm, und sein stark hervortretender Adamsapfel hüpfte erregt auf und ab. „Sicherlich steht Miß Lorraine vor dem Ausbruch einer Krise. Aber wenn es so ist, dann sollte man sie nach drüben bringen. Ich könnte leicht auf ihre Gesellschaft verzichten.“
    „Sie werden mich schnell los, wenn Sie mir einen Joint verschaffen, Johnny“, sagte Kathrine Lorraine. „Wenn Sie das für mich tun, dann verpfeife ich Sie auch nicht.“
    „Pfui, Miß Lorraine!“ sagte der schwergewichtige Mann, der ebenfalls auf der anderen Seite des Tisches saß und den Platz neben Dr. Hillary einnahm. Seine kleinen Augen, die Nase und der kleine, volle Mund verschwanden fast in den Fettmassen seines Gesichts. Er hielt den Blick gesenkt, während er das Wort an Kitty richtete.
    „Warum siehst du mich denn nicht an, Danny, wenn du mit mir sprichst?“ erkundigte sich Kitty spöttisch. Und sie gab ihrer Stimme einen verführerischen Klang, als sie hinzufügte: „Gefalle ich dir denn nicht, Danny? Findest du mich denn nicht ein bißchen sexy?“
    Daniel Dean begann am ganzen Körper zu zittern und kniff die Augen zusammen.
    „Jetzt ist es aber genug,
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