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063 - Die Todesengel

063 - Die Todesengel

Titel: 063 - Die Todesengel
Autoren: Paul Wolf
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Miß Lorraine!“ sagte Dr. Deming streng. „Entweder Sie benehmen sich ordentlich, oder Sie gehen!“
    „Aber, aber, Doktorchen!“ rügte Kitty. „Sie arrangieren diese Teekränzchen doch nur, damit wir dabei über unsere Probleme sprechen können. Das ist doch das Besondere an Ihrer revolutionären Heiltherapie! Sie predigen immer, daß wir freiweg von der Leber sprechen sollen, um uns allen Ballast von der Seele zu wälzen. Ist es nicht so? Nun, Dannys Problem sind die Frauen. Warum sollen wir nicht darüber sprechen?“
    „Jedenfalls nicht auf die Art, wie Sie es tun“, erwiderte Dr. Deming. „Ich werde nicht zulassen, daß Sie ständig irgend jemanden beleidigen, demütigen oder provozieren. Haben Sie mich verstanden, Miß Lorraine?“
    „Schon gut“, seufzte Kitty ergeben und zwinkerte Deborah dabei zu.
    Deborah hielt es plötzlich nicht mehr aus. Die Luft erschien ihr so stickig, daß sie kaum noch atmen konnte. Sie ertrug diese Atmosphäre der unterschwelligen Feindseligkeit und heuchlerischen Freundlichkeiten nicht mehr länger. Wie in Trance erhob sie sich und wollte sich gerade mit einer Entschuldigung in ihren Bungalow zurückziehen, als Schwester Hercy mit einem Tablett ins Wohnzimmer kam und fröhlich rief: „Hier ist der Kuchen!“
    „Ah, der Kuchen!“
    Begeisterte Ausrufe ertönten von allen Seiten. Man schien die kleineren Reibereien wieder vergessen zu haben. Die Situation war gerettet.
    „Sie müssen unbedingt Hercys Kuchen probieren, Miß Ashton“, sagte Schwester Mercy.
    Deborah nickte langsam und ließ sich gegen ihren Willen zurück in ihren Sessel sinken.
    Gene Hallowell, ein etwa sechzigjähriger Mann, der einen leicht debilen Eindruck machte und zu Deborahs Linken saß, nickte beipflichtend.
    „Schwester Hercys Kuchen ist der beste.“
    Deborah wußte, daß sie sich in diese Gemeinschaft nie würde einfügen können. Die beiden Schwestern waren zwar sehr herzliche Gastgeberinnen, und auch Dr. Deming und Dr. Hillary gaben sich alle Mühe, um die Spannungen abzubauen und die Atmosphäre aufzulockern, doch das konnte alles nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie sich in einer Irrenanstalt befand.
    Kitty Lorraine machte von allen noch den normalsten Eindruck, und sie schien sich auch zu Deborah hingezogen zu fühlen. Aber obwohl sie ungefähr im gleichen Alter waren, trennten sie doch Welten voneinander. Deborah war auf die Freundschaft von Kitty nicht besonders erpicht. Jedes Wort aus ihrem Mund klang vulgär. Sie hatte den Sprachschatz und die aggressive Haltung einer Kriminellen.
    Insgesamt saßen elf Personen um den Tisch. Den beiden Psychiatern gegenüber, am anderen Tischende, hatten nun die beiden Schwestern ihre Plätze eingenommen, in deren Bungalow die Teestunde stattfand. Links von Deborah saß, wie bereits erwähnt, Gene Hallowell. Er war ein Dauerpatient und betätigte sich als Gärtner. Er fiel kaum auf und sprach auch sehr wenig. Meistens beschränkte er sich aufs Kopfnicken. Kitty Lorraine dagegen ließ keine Gelegenheit verstreichen, um ihre zynischen bis beleidigenden Äußerungen anzubringen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches hatten vier Personen. Platz genommen: Danny Dean, Owen Grovers, ein Alkoholiker, der mit seinen zweiundvierzig Jahren bereits wie sechzig aussah, Betty Drawson und John Storm. Während Danny Dean an Dr. Hillarys Seite saß und von diesem ständig beobachtet wurde, hatte John Storm Schwester Mercy zur Tischnachbarin.
    Das Problem war von Dr. Deming geschickt in harmlosere Bahnen gelenkt worden. Man sprach über kleine persönliche Probleme, übers Wetter und lobte Schwester Hercys ausgezeichneten Kuchen. Nach dieser Einleitung steuerte Dr. Deming, unter Assistenz von Dr. Hillary, die Unterhaltung langsam, aber sicher in eine andere Richtung. Er ließ jeden über sich sprechen, fragte nach den Wünschen und Beschwerden und versuchte so, den Seelenzustand des einzelnen zu ergründen. Das war seine spezielle Methode der Gruppentherapie.
    Als Deborah vor einer Woche in die O’Hara-Stiftung eingeliefert worden war, hatte er ihr seine Methode auseinandergesetzt.
    „Sie werden bei uns ein ganz normales Leben führen, Miß Ashton“, hatte er ihr erklärt. „Es wird Ihnen an nichts fehlen. Sie bekommen alles, was Ihr Herz begehrt. Sie werden Freunde unter den anderen Patienten finden, Freunde, die Sie zu jeder Tages- und Nachtstunde aufsuchen können. Wir sind keine geschlossene Anstalt, sondern eine Abteilung der offenen Türen.
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