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0603 - Nächte des Schreckens

0603 - Nächte des Schreckens

Titel: 0603 - Nächte des Schreckens
Autoren: Andreas Kasprzak
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und tot in ihrem Bett liegen würde, wenn er ihr das Frühstück brachte!
    Nachdem sein Vater mit der anderen Frau über alle Berge war, hatte sie ihn behandelt wie Dreck, ihm für alles Unheil, das ihr in ihrem Leben widerfahren war, die Schuld gegeben. Von morgens bis abends beschimpfte sie ihn, ließ ihn all den Haß spüren, den sie empfand. Sie gab ihm keine Liebe, nur Verachtung.
    Wäre sie nicht gewesen, hätte er möglicherweise Freunde gehabt. Aber sie verbot ihm den Umgang mit Fremden, sorgte dafür, daß er das Haus nie verließ, wenn er nicht zur Schule ging. Ihr Heim verwandelte sich für Mike Myers in ein Gefängnis, und sie war der Wärter…
    Irgendwann war ihm klar geworden, was sie ihm antat. Daß sie ihm all die Dinge nahm, die andere Kinder von ihrer Mutter bekamen. Seine Angst vor Floriana Myers wandelte sich in Haß. Kalten, berechnenden Haß. Haß, der in jener Nacht im späten Oktober 1975 sein Ende fand, als seine Mutter mit dem Teppichklopfer in der Hand ihrem elenden Sohn hinterherjagte, um ihm eine ›Lektion‹ zu erteilen - und dann mitsamt der Treppenbrüstung hinunter in die Diele des Hauses stürzte und sich das Genick brach!
    Für den Rest der Welt hatte es wie ein bedauerlicher Unfall ausgesehen. Ein Unfall, wie es ihn jeden Tag tausende Male auf der Welt gab.
    Doch während die Menschen Mike ihr Mitleid aussprachen, während er so tat, als würde ihn der Verlust seines verblichenen Elternteils entsetzlich mitnehmen, genoß Mike die Stille, die plötzlich das Haus erfüllte.
    Die friedliche, entspannende Stille.
    Zunächst hatte er Angst gehabt, daß jemand dahinterkommen würde, daß er das Geländer manipuliert hatte. Doch niemand schöpfte Verdacht. Kein Mensch hegte auch bloß einen Hauch von Mißtrauen gegenüber dem trauerndem Sohn.
    Niemand ahnte, daß Michael Myers die morschen Pfosten der alten Brüstung so lange mit Tritten bearbeitet hatte, bis das Geländer praktisch bloß noch darauf wartete, ins Erdgeschoß hinabzustürzen…
    Aber das war lange her. Es spielte keine Rolle mehr. Nicht für den Obdachlosen, der jetzt durch die Finsternis eilte, die Augen weit aufgerissen, das schrille, grauenhafte Kichern seiner lange toten Mutter in den Ohren, das die ganze Welt zu erfüllen schien.
    Seine Gedanken drifteten davon wie Nebelschwaden in einem Windhauch. Er hatte so starke Kopfschmerzen, daß er glaubte, jeden Moment würde ihm der Schädel platzen.
    Benommen, sich seiner Umgebung kaum noch bewußt, stolperte er weiter, immer weiter, lief durch die grenzenlose Leere. Er blieb auch nicht stehen, als das Kichern seiner Mutter ohrenbetäubend wurde, so laut, daß es selbst das Rauschen des Blutes in seinen Adern übertönte.
    Statt dessen kreischte er aus voller Kehle: »Laß mich in Ruhe, du alte Hexe! Du bist tot! Verdammt, TOT! Was willst du von mir?«
    Seine Stimme überschlug sich vor Panik. Tränen des Entsetzens und der Panik traten ihm in die Augen.
    In diesem Moment tauchte seine Mutter direkt vor ihm aus der Finsternis auf, trat aus den Schatten heraus und grinste.
    Hatte sie zuvor ausgesehen wie an dem Tag, als sie begraben wurde, so befand sie sich jetzt in einem Zustand fortgeschrittener Verwesung.
    Ihr Gesicht war eingefallen und hager, eine Maske aus Fleisch und bleichen Knochen, umgeben von struppigem, gelbweißem Haar. Die Nase war fast komplett abgefault. Die lederartigen Lippen umrahmten einen Mund, in dem schiefe gelbe Zähne saßen, und zwischen denen zuckte eine schwarze, aufgequollene Zunge hin und her.
    Mike schrie entsetzt auf, als seine Mutter - oder das, was von ihr nach Jahren unter der Erde noch übrig war - die Hände hob, Klauen mit Fingern, lang und krumm wie Spinnenbeine, und nach ihm griff.
    »Komm zu mir, Michael!« sagte sie mit einer Stimme, die kaum mehr menschlich war. »Sei ein lieber Junge! Komm zu Mama!«
    »Nein!« brüllte Mike atemlos. »Nein!«
    Er taumelte zurück, wandte sich um, um wegzulaufen - und rannte seiner Mutter fast in die ausgestreckten Arme, als sie, den verfaulten Mund zu einem spöttischen Grinsen verzerrt, wieder direkt vor ihm aus den Schatten trat.
    »Du kannst nicht entkommen«, erklärte sie kalt. »Niemals!«
    Mike spürte, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich. Die Augen traten ihm weit aus den Höhlen. Sein Herz hämmerte in der Brust, als wollte es den Panzer seiner Rippen sprengen. »Nein«, keuchte er atemlos. »Nein. Nein…«
    »Doch«, erwiderte die verweste Alte böse. »Oh doch!«
    Mit gierig
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