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057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen
Autoren: Edgar Wallace
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Samtvorhänge ein wenig weiter zurückzog, so daß die scharlachroten Geranien in den Blumenkästen besser zur Geltung kamen. Ein Fensterflügel stand offen und ein leichter Luftzug spielte mit den seidenen Gardinen.
    Lowbridge schlenderte ins Zimmer. Der Diener, der noch am Fenster stand, drehte sich um.
    »Sehr nett, Benson!«
    Der Diener wollte sich zurückziehen, blieb aber an der Tür stehen.
    »Was den jungen Holbrook betrifft, von dem Eure Lordschaft sprachen: Er ist Amerikaner, wurde in Dayton, Ohio, geboren und gehörte einige Jahre der Redaktion des ›London Herald‹ an. Als Verwandter des Hauptaktionärs ist er jetzt Geschäftsteilhaber in Pawters Reklamebüro. Er wohnt in Paddington und ist unverheiratet. Soviel ich in Erfahrung bringen konnte, hat er zwei Bücher geschrieben, die ein Verleger in Boston herausgebracht hat. Sonst ist nichts über ihn zu sagen.«
    Lowbridge sah seinen Diener scharf an, aber Bensons Züge verrieten nichts.
    In der Halle läutete es. Benson ging ohne große Eile hinaus, um Miss Carew einzulassen.
    »Warum so ernst, Clive? Ist etwas passiert?« fragte sie nach der Begrüßung.
    »Nein, nein! Nur - Benson ist ein so merkwürdiger Kerl.«
    »Benson - Ihr Diener?«
    »Ja. Heute morgen erzählte er mir, daß er meinen Onkel gekannt hat und auch Laffin schon lange kennt. Sie beide waren Mitglieder des Klubs der Landwirte. Dort hat mein Onkel das Familienvermögen verspielt. Es würde mich nicht überraschen, wenn auch der Doktor sein Geld dort angelegt hätte.«
    Betty goß den Tee ein.
    »Ich glaube nicht. Laffin war immer arm. Und doch ... Er besitzt recht wertvolle Sachen - das ganze Haus ist vollgestopft mit ausgefallenen, kostbaren Gegenständen. Eines Tages betrat ich, ohne anzuklopfen, sein Arbeitszimmer. Da lag ein wundervolles Schmuckstück - eine große, mit Diamanten besetzte goldene Schnalle - auf seinem Schreibtisch. Er wurde sehr böse, weil ich sie gesehen hatte, und erzählte mir dann, daß es eine wertlose Nachahmung der Gürtelschnalle der Isis sei. Aber ich bin überzeugt, es war die echte.«
    Clive biß sich auf die Lippen. In seine hübschen Augen trat ein unruhiger Ausdruck.
    »Wann war das?« fragte er.
    »Vor einem halben Jahr vielleicht - ungefähr vierzehn Tage, nachdem wir in Devon das seltsame Abenteuer hatten. Erinnern Sie sich, ich erzählte Ihnen von den Mönchen, die unser Auto aufhielten?«
    Er nickte.
    »Ich nehme allerdings an, daß es falsche Mönche waren. Ich weiß nicht, warum, aber ich bringe die goldene Schnalle - sie war wirklich aus Gold, Clive, wenn der Doktor es auch bestritt - mit einem Zwischenfall in Verbindung.«
    »Auf dem Moor?«
    »Ja. Der Doktor war damals knapp an Geld. Zwar deutete er oft genug an, daß ihm einmal ein riesiges Vermögen zufallen werde. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß er die Schnalle vorher nicht gehabt hat. Ich glaube, die Mönche gaben sie ihm.«
    Clive Lowbridge sah sie nachdenklich an.
    »Ich verstehe ihn nicht«, sagte er. »Aber er war gut zu mir, als ich noch ein Knabe war, und ich kann daher Ihre Abneigung gegen ihn nicht teilen. Für die jahrelange Vormundschaft über mich hat er nicht einen Penny berechnet. Meine Mutter besaß, nachdem sie Witwe geworden war, nur noch ein sehr bescheidenes Einkommen, und so war sie dankbar, die uneigennützigen Dienste ihres Hausarztes in Anspruch nehmen zu können, um so mehr, als die Aussicht, daß ich je das Majorat erlangen und den sagenhaften Reichtum der Lowbridges erben könnte, als völlig unwahrscheinlich galt.«
    Betty verzichtete darauf, dieses Gespräch fortzusetzen, als ihr klar wurde, wie sehr er von dem Menschen eingenommen war, den sie selbst so haßte. Sie konnte dem Doktor einfach keinen Edelmut zutrauen. Es mußte da irgendein Geheimnis gegeben haben. Auf ihrem Weg ins Theater überlegte sie sich, was es wohl gewesen sein mochte.

6
    Als Betty Carew an diesem Abend die Bühne des Orpheums betrat, brannten nur die Lampen über den Notausgängen, denn von Campe war sparsam. Und Sparsamkeit tat auch not. Auf dem Raum vor dem schweren, bemalten Vorhang tönte das Gefiedel der Instrumente, die gestimmt wurden. Drei vor Kälte zitternde, in dünne Schals gehüllte Choristinnen standen in den Kulissen und blickten traurig auf das abgegriffene Szenenbild, das dann beim strahlenden Licht die Terrasse von Monte Carlo darstellen sollte. Ein Bühnenarbeiter baute eine wacklige Balustrade auf, ein anderer wartete geduldig mit einem Korb voll Ballons und
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