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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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den Blaster besessen hätte… aber der war entweder im Wald zurückgeblieben, oder irgend jemand hatte das gute Stück einkassiert.
    Dem Barden mit der Lyra hatten sich zwei weitere Musikanten zugesellt. Auf einen Wink des Häuptlings bliesen sie in ihre verzierten Messinghörner. War das ebenfalls einsetzende Gezupfe an der Harfe noch recht melodisch, so entpuppte sich das Hörnergellen als nahezu unerträglich. Es war wohl eher dazu gedacht, dem Feind auf dem Schlachtfeld Furcht einzuflößen, und nicht, um danach zu tanzen.
    Den Zuschauern schien der Lärm jedenfalls zu gefallen, denn sie johlten mit. »Ich dachte bis jetzt immer, Punk sei eine Erfindung unserer Zeit«, bemerkte Nicole trocken.
    Plötzlich stürmte der nackte Helvetier los. Er stieß ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus - das sich noch weiter steigerte, als er zurückwich und seine blutende Hand betrachtete, der das Schwert entfallen war. Cristofero stand ganz ruhig in der typischen Haltung des Degenfechters da und schaute wohlgemut drein.
    Ein zweites Mal hatte er den Kelten verblüffen können.
    Der Krieger hob, nach einem mißtrauischen Blick auf Cristofero, sein Schwert wieder auf, hielt es jetzt in beiden Händen. Daß seine Rechte verletzt war, ignorierte er völlig. Das Schwert rasend schnell vor sich hin und her schwenkend, drang er auf Cristofero ein.
    Diesmal brüllte der Spanier, der bislang völlig ruhig gewesen war, tänzelte zur Seite, riß die Arme hoch und rannte auf den perplexen Kelten zu wie ein liebeskranker Tyrannosaurus. Der Kelte zuckte irritiert zusammen und wich zurück. Cristofero nahm lächelnd seine ursprüngliche Position wieder ein.
    »Ich glaube, der Dicke sieht das als ein Spiel«, seufzte Nicole. »Er scheint gar nicht zu begreifen, daß der Kelte seinen Kopf will.«
    »Beim nächsten Mal ist er erledigt«, murmelte Zamorra dumpf, der keine Chance sah, einzugreifen. Er konnte sich höchstens dem Kelten in den Weg stellen, aber damit war nicht viel gewonnen. Er durfte allenfalls damit rechnen, daß man seine Einmischung als unehrenhaft ansah und ihn mit Pfeilen und Lanzen spickte; anschließend würde es dem Grande dennoch an den Kragen gehen. Jetzt fehlte der Gnom. Sein Zauber, vor allem, wenn er erwartungsgemäß ein anderes Resultat erbrachte als beabsichtigt, hätte die Helvetier durcheinanderbringen können. Aber der Namenlose war nicht da.
    Erneut griff der Kelte an.
    Diesmal wirbelte Cristofero auf dem Absatz herum und ergriff die Flucht. Laut brüllend und mit dem Degen um sich fuchtelnd, durchbrach er die Zuschauerreihe etwa so, wie die keltischen Kämpfer die Phalanx der römischen Legionen zu durchbrechen pflegten. Mit ihrer eigenen Taktik konfrontiert, machten sie ihm verblüfft Platz. Mit weiten Sprüngen jagte Cristofero dem Wald entgegen und verschwand darin. Sein Gegner verfolgte ihn die halbe Strecke, wandte sich dann ab und kehrte zurück. Verächtlich spie er aus und brummte ein paar unverständliche Worte seiner Sprache vor sich hin.
    »Er sagt, der Dicke sei ein ehrloser Feigling, und es lohne sich nicht, seinen Kopf zu nehmen«, übersetzte Nicole, die in den Gedanken des Helvetiers las.
    Zamorra nagte an seiner Unterlippe. Die Flucht paßte nicht zu Cristofero. Er war alles andere als ein Feigling; Zamorra hatte ihn mehr als einmal geradezu tollkühn erlebt. Wenn der Grande sich in den Wald zurückzog, war seine Flucht sicher nur vorgetäuscht. Das pfiffige Schlitzohr hatte gewiß einen Plan.
    Die Helvetier hielten den Zweikampf wohl für beendet; Cristofero wohl nicht, dessen war sich Zamorra sicher. Der Grande besaß einen ausgeprägten Ehrenkodex, der keine Feigheit zuließ. Außerdem traute Zamorra ihm nichts zu, daß Cristofero Nicole und ihn einfach im Stich ließ.
    Immerhin hörten die Bläser auf, ihre Instrumente zu quälen. Auch der Harfist zupfte nicht mehr an den Saiten seiner Lyra. Statt dessen zog er eine Weidenrohrpfeife aus dem Gürtel und blies eine kurze Melodie; die Tonfolge klang recht spöttisch.
    Da hob der Druide die Hand.
    Vier, fünf Männer waren da, deren Heranpirschen Zamorra nicht bemerkt hatte. Gleichzeitig packten sie zu, entwanden ihm das erbeutete Schwert und warfen es Kendan zu. Sie hielten Zamorras Arme und Beine fest, so daß er sich nicht mehr bewegen konnte, obgleich er natürlich versuchte, sich zu wehren und sich zu befreien. Aber es gelang ihm nicht. Die Männer waren stärker.
    Nicole erging es nicht anders. Auch sie wurde festgehalten.
    Der alte Druide
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