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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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schlagen. Natürlich war ihm klar, daß er diese Dinge niemals würde produzieren können -erstens, weil er sehr wohl um die Gefahr eines Paradoxons wußte, und zweitens, weil die zur Herstellung dieser Geräte erforderliche Technik erst entwickelt werden mußte, was teilweise unmöglich war. Aber für ein paar kleine Zauberkunststücke reichte es allemal…
    Er hielt das Feuerzeug an eine der abgehackten Tentakelspitzen und fachte es an. Daß ein brennender Wald höchstwahrscheinlich auch ihn einäschern würde, bedachte er in diesem Moment nicht.
    ***
    Zamorra zerrte an seinen Fesseln. Der alte Druide wollte ihm einfach nicht zuhören! Er hob das Opfermesser hoch, so daß die gesamte Zuschauerschaft es sehen konnte, und murmelte etwas von Teutates, Taranis und Esus.
    »So warte doch, verdammt!« keuchte Zamorra. »Wenn ihr mich umbringt, erfahrt ihr nicht, wann und aus welcher Richtung die Römer euch angreifen werden, und wie viele es sind…«
    Natürlich würde er ihnen keine echten Informationen liefern. Das konnte zu einem Paradoxon führen. Die Schlachten bei Lugdunum und Bibracte hatten stattgefunden, die Helvetier waren besiegt worden. Daran ließ sich nichts rütteln. Aber irgendwie mußte dieser Druide doch an seinem mörderischen Tun zu hindern sein!
    Er senkte den Dolch.
    »Störe nicht das Heilige dieser Opferung durch dein dummes Geschwätz«, fuhr der Druide Zamorra an. »Du willst doch Taranis nicht beleidigen, oder?«
    »Aber die Römer…«
    »Wenn du wirklich etwas darüber weißt, werde ich es aus dir lesen«, sagte der Druide. »Das ist sicherer, als das Risiko einzugehen, daß du uns anlügst.«
    »Du bist wahnsinnig«, keuchte Zamorra. In einer letzten verzweifelten Anstrengung versuchte er noch einmal, seine Fesseln zu sprengen. Es gab einen Ruck, seine linke Hand kam frei. Im gleichen Moment, als er sich aufrichten wollte, traf ihn der Fausthieb eines der Helfer des Druiden. Er verlor nicht die Besinnung, war aber benommen. Dann spürte er die Dolchspitze. Sie schnitt in seine Haut, und der Druide verstärkte den Druck.
    Das also war’s dann, dachte Zamorra verzweifelt. Tod eines Unsterblichen.
    Er konnte sich nicht mehr wehren, nicht mehr befreien. Nur noch sterben.
    ***
    Nicole spürte die Stiche, als die Tentakelspitzen sich unter ihre Haut schoben. Sie schwebte zwischen den in den Ästen hängenden Skeletten, und sie wußte, daß sie bald auch so aussehen würde, wenn nicht ein Wunder geschah. Sie kämpfte gegen die sie umschlingenden Tentakel, versuchte sich zu befreien. Aber ihre Kraft reichte dazu nicht aus.
    Der Schmerz ließ rasch nach. Offenbar verfügten die Tentakelspitzen über ein Betäubungsmittel. Aber daß sie ihren Tod schmerzfrei erleben durfte, war ihr kein Trost.
    So hatte sie nie sterben wollen. Nicht so furchtbar allein und erst recht nicht mit dem Wissen, daß es vorbei war. Lieber schnell und überraschend.
    Sie dachte an Zamorra. Vielleicht schaffte ja wenigstens er es, mit dem Leben davonzukommen. Sie wünschte es ihm. Aber vielleicht hatte man auch ihn dem Mörderwald zum Fraß vorgeworfen. Und Cristofero war ahnungslos freiwillig hineingelaufen…
    Ein fremder Gedankenhauch streifte ihr Bewußtsein. Du bist anders als die anderen, glaubte sie eine telepathische Stimme zu vernehmen. Du besitzt viel mehr Leben als sie. Bist du eine Göttin?
    »Wer spricht mit mir?« schrie sie auf.
    Die Sterblichen nennen mich Esus. Sie nennen mich einen Gott Ich bin alles, was du siehst. Ich bin der Boden, das Gras, der Baum, das Blatt. Du gibst mir viel.
    »Du tötest mich! Du bist kein Gott, sondern ein Mörder!« Töten? Es ist doch nur eine Umwandlung. Du sättigst mich, und ich gebe dir die Unsterblichkeit in mir. Du wirst ein Teil von mir sein. Du wirst ich. Und ich werde immer sein, solange Sterbliche an mich denken.
    Plötzlich entdeckte sie eine Gestalt zwischen den Zweigen, die sie vorher nicht gesehen hatte. Sie war sehr bunt gekleidet und besaß schwarze Haut. Der Gnom, ebenfalls von Tentakeln gehalten, sah Nicole an, hob grüßend eine Hand und lächelte.
    »Wir werden eins sein«, raunte er. »Wir werden Teile von Esus sein. Wir werden Esus. Wir werden immer sein, solange Sterbliche an uns denken. Und ich bin nie mehr einsam.«
    Da wollte Nicole schreien.
    Aber sie konnte es nicht. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Das Sterben hatte begonnen.
    ENDE
    [1] Siehe Professor Zamorra Nr. 455 »Der Zeit-Zauberer«
    [2] Siehe Professor Zamorra Nr. 514 »Der
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