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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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diese Räuberhorde zutiefst ungastlich. Es ist nämlich längst Zeit für das Frühmahl.« Er sah auf seine Armbanduhr.
    Und Zamorra glaubte in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen.
    ***
    Der Wald fühlte ein verlorenes Leben. Es schwand, ohne seine Kraft dem Wald geben zu können.
    Wer bist du? fragte Esus.
    Er spürte die Verwunderung des Verlorenen.
    »Ich bin ein einsames Geschöpf, von seinen wenigen Freunden getrennt, und ich werde sterben. Niemand ist hier, der mir hilft.«
    Warum stirbst du? rauschten die Blätter und Zweige.
    Der Verlorene sah sich verwundert um. »Ich bin verletzt. Wer bist du? Du sprichst durch den Wald zu mir, aber du zeigst dich mir nicht.«
    Du siehst mich überall. Ich bin der Wald. Ich bin der Herr des Waldes. Manche nennen mich einen Gott.
    »Es gibt nur einen Gott«, sagte der Verlorene. »Du bist ein Dämon.«
    Wie immer du mich nennen magst, flüsterte das Laub.
    »Dann kann ich dich nicht um Hilfe bitten. Aber… du könntest es ohnehin nicht. Wie sollen Bäume mir noch helfen? Ich verblute?«
    Du bist fremd in dieser Zeit, erkannte Esus. Du gehörst nicht hierher. Du gehörst in die Zukunft. Dort kann man deine Verletzung heilen.
    Der Verlorene antwortete nicht mehr. Vielleicht hielt er die Worte des Waldgottes für einen Fiebertraum.
    Aus einem der Bäume wuchsen violette Tentakel, die schlangengleich nach dem Verlorenen tasteten und ihn berührten. Dann packten sie zu, umschlangen ihn und rissen ihn in die Höhe.
    Er wehrte sich nicht mehr. Es war ihm alles gleichgültig geworden. Er wollte nur noch sterben, dann hatte alles ein Ende. Auch der Schmerz und das Fieber.
    Er bedauerte nur, daß sein Herr nun nie mehr in seine eigene Zeit würde zurückkehren können. Sein Herr - und Freund.
    ***
    Cristofero trug eine Armbanduhr!
    Ist der Bursche denn wirklich wahnsinnig? fragte sich Zamorra. Es gab zwar seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts tragbare Uhren italienischer Fertigung, und um 1510 hatte Henlein die erste Taschenuhr konstruiert, das berühmte »Nürnberger Ei«, aber Armbanduhren, noch dazu wie diese mit Digitalanzeige und Quartzwerk, hatte es im 17. Jahrhundert nicht einmal in den kühnsten Zukunftsträumen der Uhrmacher gegeben! Und so einen Anachronismus hatte der technikbegeisterte Don Cristofero mit in die Vergangenheit genommen!
    Sollte das, zusammen mit dem verhängnisvollen Untalent des Gnoms, der Auslöser der Katastrophe gewesen sein?
    Aber im Moment ließ sich daran nichts ändern. Zamorra konnte nur hoffen, daß es ihm gelang, Cristofero die Uhr wieder abzunehmen - gesetzt den Fall, es gab für Nicole und ihn ein Zurück in die Zukunft. Die Uhr durfte nicht heil in dieser Zeit bleiben. Sie mußte verschwinden.
    Zamorras Gedanken kehrten in die Wirklichkeit zurück. Die beiden Bogenschützen spannten die Sehnen. Zamorra zog das Schwert zurück. Nicole wollte dem alten Druiden beim Aufstehen helfen, aber er wehrte ihre Hände ab, als habe sie eine ansteckende Krankheit, und kam erstaunlich flink auf die Beine. Erst, als er neben dem Häuptling Aufstellung genommen hatte, senkten die beiden Bogenschützen ihre Waffen wieder und entspannten sie.
    Kein Grund, aufzuatmen, denn jetzt gab es ein Faustpfand weniger, und auf Cristoferos großspurige Ankündigung wollte Zamorra sich lieber nicht verlassen. Fieberhaft überlegte Zamorra, wie er den bevorstehenden Kampf unterbinden konnte. Beim ersten Mal hatte Cristofero den Helvetier überrascht. Jetzt wußte der, wie schnell und geschickt der beleibte Mann seine Waffe einzusetzen verstand, und er würde auch die dünne Klinge kein zweites Mal unterschätzen. Cristofero war schnell und geschickt, aber seine bisherigen Gegner waren Männer seiner Zeit gewesen, vorwiegend gehörnte Gatten, die der Zorn blindwütig gemacht hatte und die sich an Duell- und Féchtregeln hielten. Von den Kelten aber war überliefert, daß sie noch wilder und undisziplinierter kämpften als die germanischen Völker.
    Hinzu kam hier die unterschiedliche Bewaffnung - wenn der Kelte zuschlug, teilte er Cristoferos Degen in zwei Hälften. Die Kelten waren hervorragende Eisenschmiede. Von ihnen konnten sogar die Römer noch lernen.
    Zamorra schätzte seine Chancen ab, den Häuptling selbst anzugreifen. Aber vermutlich nützte ihm das auch nicht viel; das Duell mußte stattfinden. Und da waren die Bogenschützen. Wenn sie schon den Tod des Druiden in Kauf nahmen, würden sie da auf ihren Chef Rücksicht nehmen?
    Vielleicht, wenn Nicole noch
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