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0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
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»Manchmal frage ich mich«, überlegte Professor Zamorra, »ob es noch eine Gerechtigkeit auf Erden gibt. Womit haben wir dieses Wetter verdient? Wie kann ein einzelner Tag nur so grau und düster sein? Von morgens bis abends keine Chance, ohne Kunstlicht auszukommen, und zu allem Überfluß ist es nachts auch noch dunkel.«
    »Man sollte meinen, die Polachse kippt«, pflichtete ihm Lady Patricia Saris bei. »Vielleicht hat sich der Polarkreis tatsächlich hierher verschoben, und jetzt ist Frankreich das Land der Mitternachtssonne. Vielleicht, Zamorra, solltest du mal eine Magnetfeldüberprüfung vornehmen.«
    Der Parapsychologe winkte ab. »Viel zu aufwendig. Außerdem könnten wir zu unserem Entsetzen feststellen, daß du recht hast. Das Risiko möchte ich lieber weiträumig umgehen.«
    Er schaltete den Computer aus; die in Reihe stehenden Monitore erloschen. »Außerdem«, fuhr Zamorra fort, »wäre dann vermutlich unsere EDV bereits ausgeflippt. Verschiebungen des planetarischen Magnetfeldes dürften sich elektronikstörend bemerkbar machen, wenn sie derart kraß ausf allen.«
    »Planetarisch«, echote Lady Patricia. »Nicht ›global‹? Es klingt, als wäre für dich die Erde nur ein Planet unter vielen.«
    »Ist sie das etwa nicht?«
    »Wenn du es so siehst - all right, es gibt noch acht weitere Planeten. Aber nur hier leben Menschen.«
    »Was ein tragischer Irrtum ist«, korrigierte Zamorra. »Denke an den Silbermond oder an Welten wie Ash’Cant oder Ash’Caroon oder zahlreiche andere, die…«
    »… die ich im Gegensatz zu dir und Nicole nie kennengelernt habe«, sagte die Schottin. »Und ich bin auch nicht traurig darüber. Ich fühle mich auf der Erde ganz wohl. Meine Heimat ist Schottland, mit meinem Sohn lebe ich jetzt hier in Frankreich - das sind schon zwei unterschiedliche Welten, und das reicht mir vollkommen aus.«
    Zamorra erhob sich. »Es ändert nichts an den Fakten, auch wenn diese nur einem kleinen Grüppchen von Eingeweihten bekannt sind. Was kann ich für dich tun? Umsonst kreuzt du ja nicht in meinem Arbeitszimmer auf.«
    Patricia trat ans Fenster und sah hinaus. Von hier oben hatte man einen weiten Ausblick über das graue Band der Loire, über die frühwinterlich kahlen Bäume und Sträucher, die nackten Felder, die regennaß glänzenden Dächer der Häuser des kleinen Dorfes im Tal. Es war früher Nachmittag, aber hinter fast allen Fenstern brannte Licht, und die Autos unten an der großen Femstraße zeigten ihre gelb leuchtenden Scheinwerfer. Es waren keine weißen Lichter zu sehen; um diese Jahreszeit kamen kaum Touristen aus anderen Ländern hierher, und die EG-Vorschrift, daß künftig weißes Fahrlicht zu verwenden sei, galt nur für die Neufahrzeuge, von denen es gerade hier noch viel zu wenige gab. Zamorra hielt diese Vorschrift für widersinnig; das gelbe Licht war ebenso hell wie das weiße, aber weicher und blendete den Gegenverkehr daher weitaus weniger. Aber die Autofahrer in allen anderen Ländern der Welt kamen mit dem blendend grellen Scheinwerferlicht zurecht, die Franzosen würden sich irgendwann auch daran gewöhnen. Auch, wenn es umgekehrt sinnvoller gewesen wäre.
    »Don Cristofero ist hier«, sagte die Schottin.
    Zamorra fuhr herum und sah sie überrascht an. »Weiß Nicole…?«
    »Nein. Sie ist doch nach Lyon gefahren.« Zamorra nickte; er erinnerte sich, daß Nicole dort etwas zu erledigen hatte. Er hatte, in seine Arbeit vertieft, nicht mehr daran gedacht.
    Patricia fuhr fort: »Du hättest sonst wohl auch längst ihr Kriegsgeschrei vernommen. Du weißt ja, wie die beiden zueinander stehen. Momentan sind William und Raffael gleichermaßen damit ausgelastet, sich um Cristofero zu kümmern. Deshalb habe ich dir diese vermutlich nicht ganz erfreuliche Botschaft überbracht. Ich bin sicher, daß du nicht der schlechten Angewohnheit anhängst, die Überbringer schlechter Nachrichten zu erschlagen.«
    »Was ist mit dem Gnom?«
    »Der ist natürlich auch hier.«
    Zamorra seufzte. Es sah so aus, als hätten sie ein Problem…
    Es war jetzt etwa zwei Jahre her, daß Don Cristofero Fuego del Zamora y Montego und sein seltsamer Begleiter im Château Montagne aufgetaucht waren. Der wohlbeleibte Mann stammte aus dem Jahr 1673. Er gehörte zur spanischen Linie von Zamorras Vorfahren, ging eigenem Bekunden zufolge am Hof des Sonnenkönigs ein und aus, und in seiner Zeit war er Eigentümer des Loire-Schlosses, das Zamorra jetzt als Heim diente. Sein ständiger Begleiter war
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