Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
ergründen. Was sich in diesen Morgenstunden im Wanderlager abgespielt hatte, reichte ihm. Esus brauchte Opfer! Warum sollte Caxatos dem Waldgott nicht diese Frau geben? Wenn sie wirklich etwas Besonderes war, würde Esus das Besondere in ihr erkennen. Wenn nicht, tranken die Bäume ihr Leben, und alles war gut. So schaffte Caxatos mit zwei Kriegern die Frau an eine bestimmte Stelle des Waldes, nicht dorthin, wo die Unheimlichen gestern abend aus dem Nichts gekommen waren, sondern an einen anderen Platz. Er wußte, daß Esus überall war. In diesem Wald hingen viele Skelette. Er hatte sie entdeckt in den ersten Tagen, in denen das Lager errichtet worden war, und da hatte sich ihm auch Esus offenbart. Seit gut einem Monat waren sie jetzt hier; als sich herausstellte, daß römische Truppen in der Nähe waren, hatte Centorix befohlen, hier zu verweilen und sich zu verschanzen. Falls die Römer angriffen, bot ein stehendes Lager bessere Verteidigungs- und Gegenschlags-Möglichkeiten als ein ziehender Wagentreck.
    Aber kaum, daß Centorix’ Stamm sich hier vorübergehend niedergelassen hatte, bezogen auch die Römer Quartier und bauten ihr Castellum. Seitdem hatten sie sich gegenseitig belauert, aber erst in letzter Zeit waren Spione gekommen. Sie verkleideten sich als Kelten. Aber sie waren doch so leicht zu durchschauen…
    Jetzt aber standen Veränderungen bevor. Caxatos wußte es, und Centorix und der Älteste der Barden wußte es auch. Sie mußten sich wappnen.
    Caxatos kehrte, nachdem sie die fremde Frau in den Wald gebracht hatten, ins Lager zurück. Sein Schüler hatte den letzten Fremden inzwischen vorbereiten lassen. Die Opferung zu Ehren des Taranis konnte beginnen. Der Druide sah zum Himmel empor, orientierte sich am Stand der Sonne. Es war nie zu früh und nie zu spät für ein Opfer. Es war immer die richtige Zeit.
    Vorher aber würde er in dem Fremden lesen. Vielleicht wußte der ja tatsächlich etwas. Falls nicht, war das zwar schade, aber nicht weiter schlimm.
    Der Druide hatte seine Scheu vor den Fremden verloren. Sie konnten den falschen Tod erleiden wie jeder Mensch, also würde auch der wirkliche Tod sie nicht verschmähen. Und wenn sie den richtigen Glauben hatten, wurden sie danach wiedergeboren.
    Caxatos vollzog das Ritual und ließ sich auch von den Worten des Opfers nicht beirren. Der Fremde war Taranis zugedacht. Glaubte er wirklich, der Druide würde den Gott beleidigen, indem er ihm das zugedachte Opfer nun doch noch verweigerte?
    Dann war er ein Narr. Was geschehen mußte, würde geschehen. Unbedingt.
    ***
    Don Cristofero wirbelte herum, als er die Berührung spürte. Im ersten Moment dachte er an eine Schlange, aber das hier war etwas ganz anderes! Bewegliche, dicke Schnüre mit dolchartigen Spitzen…
    Er ließ sich einfach fallen. Gleichzeitig zog er den Degen aus der Scheide und durchtrennte die nach ihm tastenden Tentakel. Einer hatte ihn bereits erfaßt und sich schmerzhaft in seine Schulter gebohrt; jetzt fiel der abgeschnittene Rest zu Boden. Cristofero tastete vorsichtig nach der schwach blutenden Wunde. Der Schmerz hörte rascher auf, als er es eigentlich gedurft hätte…
    »Teufelswerk!« murmelte Cristofero. »Magie!« Er erinnerte sich an den Llewellyn-Vampir, an dessen Schwert er sich geschnitten hatte und dabei fast selbst zum Blutsauger verwandelt worden wäre. Hoffentlich geschah ihm hier nicht etwas Ähnliches. Denn hier hatte er noch weniger Hilfe zu erwarten als bei den Geschehnissen vor einem halben Jahr in Schottland… [6]
    Plötzlich zuckten wieder Tentakel heran. Sie wuchsen rasend schnell aus Baumstämmen hervor. Cristofero ließ erneut seinen Degen blitzen. Abermals fielen die abgeschlagenen Spitzen zu Boden. Mit ihnen ein paar Zweige, die er nebenbei mit erwischt hatte. Er glaubte, ein leises Seufzen zu hören, das aus dem Wald kam.
    »Ei der Daus«, murmelte er. »Man will mich doch nicht etwa durch solch garstiges Treiben zurück ins Lager dieser Schweizer treiben? Eher setze ich diesen Wald in Brand…«
    Den Degen immer noch abwehrbereit, nestelte er mit der freien Hand an seiner Gürteltasche und fand schnell, was er suchte: ein kleines Sturmfeuerzeug. Als sich abgezeichnet hatte, daß der Gnom endlich den Weg in die Vergangenheit finden würde, fand Cristofero ein paar Kleinigkeiten technischer Art zusammengerafft, die er sich im Laufe seines zweijährigen Aufenthaltes in der Zukunft angeeignet hatte. Vielleicht ließ sich in seiner Epoche Kapital daraus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher