Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0491 - Ein Toter läuft um sein Leben

0491 - Ein Toter läuft um sein Leben

Titel: 0491 - Ein Toter läuft um sein Leben
Autoren:
Vom Netzwerk:
ordnungsgemäß abgebüßt hat, zu verachten?« Lucille Raggard errötete. »Warum haben Sie meiner Mutter überhaupt gesagt, daß Sie aus dem Zuchthaus kommen?« erkundigte sie sich. »Niemand hat Sie um diese Auskunft gebeten! Sie hätten hier untertauchen können, ohne daß Sie schief angesehen worden wären!«
    »Ist denn in dieser Gegend jeder so streng wie Ihr Tom?« erkundigte ich mich.
    »Das kann man nicht behaupten!« meinte Lucille und verzog spöttisch die Lippen. »Vielleicht treffen Sie sogar ein paar Leute, die Ihr Vorleben als Auszeichnung betrachten. In dieser Gegend ist alles möglich!«
    »Ich bin auf Parole entlassen worden«, sagte ich. »Einmal in der Woche muß ich mich im Revier melden. So etwas kriegen die Leute schnell spitz. Da sage ich lieber gleich die Wahrheit. Gibt es in der Nähe einen Trödler?«
    »Mehr als genug. Warum?«
    Ich blickte an meinem Anzug herab. Es war einer jener miserablen, schlecht gearbeiteten Dinger, die man jedem Sträfling bei der Entlassung aushändigt. »Ich habe keine Lust, in dieser Klamotte herumzulaufen«, sagte ich. »Ebensogut könnte ich Sträflingskleidung tragen!«
    Lucille lachte plötzlich. »Sehr elegant sehen Sie darin wirklich nicht aus!« Ihr Lachen verstummte. Sie schaute mich nachdenklich an. »Übrigens fällt es mir gar nicht schwer, Sie mir in einem eleganten Anzug vorzustellen!«
    »Vielen Dank«, sagte ich spöttisch.
    Lucille machte plötzlich kehrt und verließ beinahe fluchtartig das Zimmer. Ich trat an das Fenster und blickte hinaus. Ein älterer Mann verließ gerade Westens Laden. Er trug eine Stange Zigaretten unter seinem Arm und stieg in eine mitgenommen aussehende Dodge-Limousine. Die Brickstone Road war eine enge, häßliche Straße, deren Häuser noch aus einer Zeit stammten, wo man elektrisches Licht als entbehrlichen Luxus empfunden hatte. Inzwischen hatte auch hier die Technik ihren Einzug gehalten, aber die tristen Hausfassaden mit den ausgetretenen Steintreppen waren geblieben. Geblieben war auch der Geruch der Armut, geblieben waren der Schmutz und die mürrischen Gesichter der Menschen, die sehr wohl fühlten, daß sie in der Brickstone-Roäd auf der untersten sozialen Stufenleiter sitzengeblieben waren.
    Ich wandte mich um und drückte die miserabel schmeckende Zigarette in einem Ascher aus. Dann stellte ich mich vor den Spiegel und blickte hinein. Ich war nicht gut rasiert, und meine linke Wange wurde durch eine Operationsnarbe entstellt. Die Narbe war von unserem Maskenbildner künstlich erzeugt worden. Sie hatte einen violetten Schimmer und wirkte sehr echt. Die Narbe sollte mich davor bewahren, erkannt zu werden. Ich wandte mich ab und verließ das Zimmer. Aus der Küche drang die aufgeregte Stimme von Mrs. Raggard. Wortreich verteidigte sie ihren Entschluß, mir das Zimmer überlassen zu haben. »Es gibt sowieso schon Leute, die uns vorwerfen, daß wir die Nasen zu hoch tragen! Das wird ihre Ansichten ändern, hoffe ich!« Ich grinste. Mrs. Raggard war genau der Typ einer Zimmerwirtin, um die ich normalerweise einen großen Bogen gemacht hätte, aber so, wie die Dinge lagen, kam sie meiner Aufgabe fabelhaft entgegen. Ich war überzeugt davon, daß man mich in dieser Straße wirklich für einen entlassenen Sträfling hielt.
    Übrigens nannte ich mich Fulton. Jack Fulton.
    Ich besaß sogar einen Entlassungsschein, der auf diesen Namen lautete. Er wartete nur darauf, bei passender Gelegenheit präsentiert zu werden.
    Drei Minuten später betrat ich den Laden von Donald Weston. Weston stand hinter dem Tresen und bündelte Banknoten. Ich sah mit einem Blick, daß es mehrere hundert Dollar sein mußten. Es waren ausschließlich Zwanzigdollarscheine. Es war kaum anzunehmen, daß es sich dabei um Westons Tageseinnahme handelte.
    »Sie wünschen, Mister?« murmelte er statt einer Begrüßung.
    »Zwei Päckchen Durham.«
    »Dreißig Cent«, sagte Weston und legte die kleinen Leinwandsäckchen auf den Tresen. Ich verzog das Gesicht. »Mistzeug!«
    Weston sah verwundert aus. »Warum rauchen Sie es, wenn es Ihnen nicht schmeckt?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Sie gehört nicht hierher«, erklärte ich und angelte nach Kleingeld. »Kennen Sie zufällig jemand, der ein Zimmer zu vermieten hat?«
    »Ich bin kein Makler«, sagte Weston knapp.
    »Weiß ich. Aber als Geschäftsmann hören Sie doch dies und jenes. Ich stelle ja keine großen Ansprüche. Hauptsache, die Bude ist sauber. Die alte Raggard will mich nämlich wieder
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher