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0450 - Sukos Totenfeier

0450 - Sukos Totenfeier

Titel: 0450 - Sukos Totenfeier
Autoren: Jason Dark
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zum Kleidungsstück, doch die Finger berührten es nicht einmal. Nein, sie wollte den Mantel nicht überstreifen. Das Leichenhemd musste reichen.
    Shao öffnete die Wohnungstür. Der Flur mit den zahlreichen Apartmenttüren lag leer vor ihr; obwohl es noch nicht so spät war, ließ sich keiner der Bewohner blicken.
    Rechts besaß John Sinclair sein Apartment. Auch ihn würde Shao nicht mehr sehen. Für einen Moment empfand sie Bedauern, dann hob sie die Schultern und schritt auf eine Lifttür zu.
    Sie musste den Aufzug erst holen, stand vor der noch geschlossenen Tür und wartete. Dabei lief ein Frösteln über ihren Rücken, und die Lippen zuckten.
    Fast ängstlich blickte sich die Chinesin um. Sie wollte nicht, dass man sie sah. Niemand sollte etwas von ihrem Verschwinden bemerken. Es sollte unauffällig geschehen. Wie ihr Einzug damals in dieses große Haus.
    Endlich stoppte der Lift. Die Tür öffnete sich, und gleichzeitig verließ hinter Shao eine Mieterin ihr Apartment.
    Die Chinesin hörte das Geräusch und drehte sich, mit einem Fuß schon im Lift, noch einmal um.
    Die Blicke der beiden Frauen begegneten sich.
    »Halt, nehmen Sie mich mit!«
    Shao betrat den Lift. Sie tat, als hätte sie nichts gehört und auch nicht gesehen, dass die Frau ihr zuwinkte und schneller lief. Die Tür schloss sich vor den Augen der Nachbarin. Das Schimpfen vernahm Shao nicht mehr. Sie befand sich bereits auf dem Weg nach unten.
    Wie oft hatte sie den Lift benutzt, auch zusammen mit ihren Freunden.
    Diesmal stand sie allein in der Kabine, und sie würde auch allein bleiben.
    Niemand konnte ihr helfen. Weder ihr Partner Suko noch John Sinclair.
    Sie wussten beide nicht, was sie vorhatte, denn Shao hatte keinen Menschen eingeweiht.
    Das gehörte dazu. Der unbekannte Anrufer hatte darauf gedrungen.
    Sie erreichte die Tiefgarage. Die Tür öffnete sich, Shao trat in die kalte, stets nach Öl und Abgasen riechende Halle, sah auf die abgestellten Wagen und dachte daran, dass eigentlich nur diejenigen in die Garage gelangen konnten, die auch einen entsprechenden Schlüssel für das Rolltor besaßen.
    Es stand aber offen.
    Über Shaos Gesicht zuckte ein heimliches Lächeln. Klar, die andere Seite besaß Macht. Ein verschlossenes Garagentor würde sich ihren Zielen nicht in den Weg stellen.
    Sie verließ die Kabine. Kaum stand Shao in der Garage, als sie das Geräusch hörte, das sie bereits am Telefon vernommen hatte. Dieses dumpfe, jetzt leise Trommeln.
    Dennoch hallend und als Echo durch die unterirdische Garage wirbelnd.
    Ihr Zeichen.
    Es war schwer, sich auf eine bestimmte Richtung zu konzentrieren, denn durch die Echos schien das Trommeln von allen Seiten zu kommen.
    Shao war verunsichert.
    Der breite Mittelgang schien ihr am geeignetsten zu sein, auf die Leute zu warten, deshalb lenkte sie ihre puppenhaft wirkenden Schritte auch dorthin.
    Er kam von vorn.
    Ein großer, schwarzer Koloss. Die Auffahrt zur Tiefgarage lag bereits hinter ihm. Bei dem Fahrzeug - es konnte sich durchaus um eine amerikanische Limousine handeln - war nur das Standlicht eingeschaltet worden. Shao hörte den Motor kaum, sie vernahm nur das Schmatzen der Reifen auf dem blanken Boden und sah das Wippen, als der Wagen abgebremst wurde.
    Er wartete auf sie.
    Die Chinesin benötigte keine besondere Aufforderung. Sie wusste, was sie tun musste, setzte sich in Bewegung und ging mit zögernd wirkenden Schritten auf das Fahrzeug zu.
    Sie schaute ernst, die Lippen lagen aufeinander und bildeten einen Strich. Da die Scheiben eine dunkle Tönung besaßen, sah sie nicht, wie viele Leute in dem Wagen saßen.
    Als Shao die Höhe des Kühlergrills erreicht hatte, schwang die hintere Tür an der rechten Seite auf. Das sah so aus, als würde sich ein Schatten zur Seite bewegen.
    Sie ging schneller.
    Noch immer vernahm sie das Trommeln. Sie wusste nicht, woher es stammte. Vielleicht hockte der Trommler in der Garage, möglicherweise auch draußen.
    Shao umging die Tür und blieb vor dem Einstieg stehen. Eine Hand streckte sich ihr entgegen. Sie besaß lange Finger, die von einer dünn wirkenden, gelblichen Haut überzogen waren.
    Der Mittelfinger bewegte sich winkend, und Shao verstand das Zeichen.
    Sie duckte sich, stieg ein und versank im Polstersitz.
    Es brannte kein Licht im Innern. Auf einmal kam ihr das große Auto vor wie ein rollender Sarg.
    »Schließ die Tür!« Zum ersten Mal wurde sie angesprochen. Shao glaubte, die Stimme zu kennen. Sie musste dem Mann gehören,
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