Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0440 - Mein Boß saß in der Todeszelle

0440 - Mein Boß saß in der Todeszelle

Titel: 0440 - Mein Boß saß in der Todeszelle
Autoren:
Vom Netzwerk:
schien ihn zu freuen, wenn ein Mensch in seiner Lage sich noch über etwas freuen kann.«
    »Wie lange hat er noch?«
    »Übermorgen, zehn Uhr morgens. Es hat sich nichts geändert.«
    »Hat er die Chance einer Begnadigung?«
    »No.« Hastig fügte der Direktor hinzu: »Das ist freilich nur meine Meinung. Die Telefonverbindung von einem unserer Apparate zum Büro des Gouverneurs wird ständig freigehalten, damit ein eventueller Anruf des Gouverneurs wegen eines anderen Gespräches sofort ankommt. Und die theoretische Möglichkeit einer Begnadigung besteht natürlich so lange, bis die Kapseln in die Gaskammer gelassen worden sind. Dann allerdings…« Er hob die Schultern. Auch ich hatte dem nichts hinzuzufügen. Die Kapseln springen auf, und der tödliche Inhalt breitet sich in der kleinen Zelle aus…
    Greaves dunkle, sympathische Stimme riß mich aus meinen Gedanken. »Was mich an den Umständen, unter denen Sie hierhergekommen sind, am meisten verwundert…«
    »Ich kann es mir denken, Direktor. Aber Sie können beruhigt sein. Bei Ihnen ist nichts schiefgelaufen. Der Rechtsanwalt von Danto hat mir die Nachricht überbracht. Also keine unterirdischen Quellen.«
    Ich sah, daß Greaves erleichtert aufatmete. »Sie müssten wissen«, sagte er, »daß ich Danto alles zutraue. Alles!« Er sah mich einen Augenblick an. »Haben Sie eine Ahnung, warum er Sie sehen will, Mr. Cotton?«
    »Das ist die Frage, auf die ich gewartet habe. Jeder, der von meinem Besuch bei Danto weiß, hat sie gestellt. Und keiner hat meine Antwort für bare Münze genommen. Ich weiß es nicht, Mr. Greaves.«
    Greaves sah mich ungläubig an. Ich erklärte:
    »Dantos Rechtsanwalt, ein gewisser Andersen, rief mich vorgestern in meinem Office an und sagte, daß Danto mich sehen wollte. Als ich wissen wollte, warum, erhielt ich die Antwort, die ich Ihnen eben gegeben habe.«
    »Aber… aber warum haben Sie… warum sind Sie dann gekommen?«
    »Weil ich gern wissen möchte, was Danto von mir will. Wäre ich nicht gekommen, hätte ich mich mein Leben lang gefragt, was wohl Danto mir sagen wollte.«
    Der Direktor machte ein nachdenkliches Gesicht. »Danto war Syndikatsmitglied, mehr noch: Er war einer der führenden Männer des Syndikats, das die Verbrechen in diesem Land organisiert.«
    »Ich weiß«, sagte ich mit einem fast ungeduldigen Ton. »Und man erzählt sich, daß das Syndikat wiederum von der Mafia kontrolliert wird.«
    »Es ist kein Gerücht. Es stimmt«, sagte Greaves mit Nachdruck. »Halten Sie sich das ständig vor Augen, wenn Sie mit Danto reden. Denken Sie an das Syndikat und an die Mafia. Glauben Sie seinen schönen Worten nicht.«
    »Was ist los, Greaves? Glauben Sie, ich sei ein grüner Junge, dem jedermann etwas vormachen kann? Ich kenne Danto. Er hat viermal auf mich geschossen. Eine Kugel streifte meinen linken Arm, den ich daraufhin 14 Tage in einer Binde tragen mußte. Ich weiß genau, wie er bluffen kann, wie er mich damals hereingelegt hat, als er sich plötzlich auf den Boden fallen ließ und einen Treffschuß simulierte. Als ich dann bei ihm -war, um ihm zu helfen, schoß er. Ohne eine Sekunde zu überlegen. Mir braucht niemand zu sagen, wie gefährlich Alberto Danto ist.«
    »Okay, Mr. Cotton. Ich wollte Sie nur daran erinnern. Soll ich Sie nun zu ihm führen?«
    »Bitte, ja.«
    ***
    »Hallo, Cotton«, rief mir Danto schon aus ein paar Metern Entfernung zu. Ich stand vor den glatten, fast armbreiten Eisenstäben, die Dantos Todeszelle zum Gang hin abgrenzten. Er war von seiner Pritsche aufgestanden, als er mich kommen sah. Sein Gang war schleppend.
    Danto war kurz und gedrungen. Sein dichtes schwarzes Haar berührte bis auf wenige Zentimeter seine buschigen Augenbrauen. Er hatte eine gekrümmte sizilianische Nase, dicke glatte Lippen. Obwohl in seinem Gesicht ein bläulichschwarzer Bart schimmerte, wirkte er nicht ungepflegt. Mit seiner heiseren Stimme sagte er zur Begrüßung: »Ich bin froh, daß Sie gekommen sind.«
    Er reichte mir seine Hand durch die Eisenstäbe. Ich zögerte nur eine Zehntelsekunde. Dieses Zögern war mein Tribut an die Erinnerung. Vor ein paar Monaten hätte mich diese Hand zerschmettert, wenn ich nicht schneller oder auch nur glücklicher gewesen wäre. Dann reichte ich ihm meine Rechte. Danto zeigte seine blendend weißen Zähne.
    »Sie haben das nicht gern getan, nicht wahr?« fragte er und deutete auf seine Hand.
    »Ich habe es mir einen Augenblick lang überlegt«, sagte ich.
    »Danke, Cotton.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher