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041 - Der Schwarze Tod

041 - Der Schwarze Tod

Titel: 041 - Der Schwarze Tod
Autoren: G.J. Arnaud
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Tür in die Gegenwart.
    Wir machen uns, immer noch hungrig, über das Kaninchen her. Davon wird nicht allzu viel für die Hunde im Schafstall übrigbleiben. Wir werden ihnen wohl eine Specksuppe bereiten müssen.
    Nach der Mahlzeit trinke ich Kaffee. Collin mag das bittere Getränk nicht, er trinkt lieber einen Grog. Ich habe ihm gezeigt, wie man einen guten Grog bereitet. Er gibt viel Zucker hinein, Nelken und Zitrone, wenn wir sie haben, und natürlich einen guten Schuß Alkohol, der seinen Blick unter den farblosen Wimpern ein wenig wäßrig macht. Wenn er in diesem Zustand ist, spricht er oft über seine Vergangenheit, obwohl er erst fünfzehn Jahre alt war, als die Geschehnisse ihren Anfang nahmen. Er hat zweimal so lange in diesem Jahrhundert gelebt, und er gewöhnt sich immer noch nicht daran. Brutal herausgerissen aus einer Epoche, ohne Reiz und Schönheit, trauert er ihr dennoch nach. In seiner Herberge arbeitete er vom Morgengrauen bis in die Nacht, und war nicht besonders glücklich. Er war an schlechte Behandlung gewöhnt und schlief in einer Kiste hinter dem Kamin. Seine Nahrung bestand hauptsächlich aus den Resten, die die anderen übrigließen. Er mußte Holz hacken, Wasser schleppen, die Tiere versorgen, die Ställe reinigen. Er bekam aus jedem, noch so geringen Anlaß Stockhiebe, und sein Herr, Grangure, war ein Rohling. Und ich weiß, wovon ich rede, denn ich kannte ihn wie er leibte und lebte vor dreißig Jahren.
    „Wenn es schneite, rollten sich alle nackt im Schnee“, sagt er, den Grog in der Hand. „Auch die Weiber kamen. Man scherzte und lachte viel.“
    Damals gab es freiere Sitten, eine gesunde Lüsternheit ohne viele Komplexe. Überreste der lockeren Katharensitten, die der Klerus noch nicht hätte ausmerzen können.
    „Denk nicht soviel daran, mein Alter.“
    Aber das begreift er nicht. Für ihn haben diese seltenen Augenblicke des Vergnügens eine Bedeutung erlangt, die ihnen gar nicht zukommt.
    Aber auch ich lebe in der Erinnerung, und in einigen besonders schönen Nächten wird Ninon in meinen Träumen so lebendig, daß ich ihr Bild tagelang vor mir sehe.
    „Soll ich abspülen?“ fragt er.
    Das tut er gar nicht gern. Und vielleicht will er heute schnell hinauskommen zu den Ställen.
    „Laß es für den Abend.“
    Collin zieht seinen Überwurf an und sagt, daß er nach den Schafen sieht. Der Wind pfeift um das Haus, aber es schneit so dicht wie vorher.
    „Gib acht, daß du den Weg nicht verlierst!“
    „Gott wird mich weisen, Herr.“
    Wenig später ziehe ich mich in mein Büro zurück. Es ist ein kleines Zimmer in einem Teil des Hauses, der in einen Abhang hinein gebaut ist. Ich muß einige Stufen hinaufsteigen und trete durch eine niedere Tür. Ein kleines quadratisches Gitterfenster läßt den Blick zum Mont Bugarach frei. Heute ist die Sicht getrübt.
    Das Zimmer ist so niedrig, daß es meist überhitzt ist. Das lädt ein zum Träumen, zum Nachdenken und zum Schreiben.
    Ich lasse mich auf dem Diwan meiner Tante nieder. Der Stoff ist fadenscheinig, und die Sprungfedern knarren gegen den Holzrahmen, aber ich grabe mich in die Polster und zünde meine Pfeife an. Ich rauche sie nur hier.
    Schon als meine Tante noch lebte, war dies hier mein Zimmer. Um es zu heizen, benützte ich damals einen kleinen Holzofen. Anfangs gab ich vor, mich hierher zurückzuziehen, um zu studieren, denn bevor ich Paris verlassen hatte, war ich Medizinstudent gewesen. Aber, wie man sieht, habe ich die Studien nach den seltsamen Ereignissen des Winters 1943-44 nicht wieder aufgenommen.
    Damals, wenn der Schnee kam, rollte das Dorf sich ein wie ein Igel. Man war daran gewöhnt, daß der elektrische Strom nicht mehr funktionierte, und es gab Kerzen und Petroleumlampen zur Genüge. Die Kerzen waren hausgemacht. Wenn man sie anzündete, verbreitete sich ein Duft nach Bienenhonig im ganzen Haus.
    Ich bringe die Kerzen nicht so schön geformt fertig wie meine Tante, aber ich bin zufrieden, wenn sie brennen.
    Im Halbdunkel bin ich nahe daran einzuschlafen, die Pfeife im Mundwinkel. Also erhebe ich mich und zünde das Gaslicht an, das ein weit angenehmeres Licht gibt als eine elektrische Lampe. Ich reguliere die Flamme und lasse mich an meinem Schreibtisch nieder, der mit Büchern und Papieren überladen ist. In diesem Zimmer habe ich auch meine geistige Nahrung untergebracht. Wenn Collin in den Raum tritt, bekreuzigt er sich jedes mal beim Anblick der vielen Bücher. Manchmal zeige ich ihm die Illustrationen,
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