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041 - Der Schwarze Tod

041 - Der Schwarze Tod

Titel: 041 - Der Schwarze Tod
Autoren: G.J. Arnaud
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ihr Kaffee aus der großen Kanne ein, die neben dem Ofen stand.
    „Milch dazu?“
    Diesmal schien sie zu begreifen, denn sie nickte. Er hatte heiße Milch in einem Topf und goß etwas davon in die Kaffeetasse. Dann gab er Zucker dazu und hielt ihr die Tasse hin.
    „Nehmen Sie. Das ist guter Kaffee, kein Ersatz. Wir kaufen die Bohnen, wenn sie noch grün sind, und rösten ihn selbst.“
    Sie trank einen Schluck und spuckte ihn wieder aus.
    Couderc riß die Augen auf. „He!“ rief er erbost. „Das ist guter Kaffee! Den bekommen Sie in der ganzen Gegend nicht!“
    Die Frau des Bäckers war von dem Lärm erwacht. Überdies stand sie immer um diese Zeit auf, um ihrem Mann beim Heizen des Backofens zur Hand zu gehen. Sie zog sich schnell an und trat in die Backstube, wo sie sprachlos stehenblieb: Ihr Mann war eben im Begriff, mit einer übertrieben dekolletierten fremden Frau über seinen Kaffee zu streiten.
    Sie wollte eben scharf dazwischen fahren, aber die Unbekannte sah sie beide so seltsam an, daß sie lachen mußte.
    „So was!“ rief sie. Der Bäcker wandte sich ihr zu. „Man könnte meinen, uns wachsen Federn aus dem Kopf, so sieht sie uns an.“
    „Ich habe sie draußen gefunden“, sagte er. „Ich weiß nicht, woher sie kommt.“
    Plötzlich warf sich die Unbekannte auf die Knie, hob die Hände und begann mit flehender Stimme zu sprechen.
    Die Bäckersleute hörten überrascht zu. Sie verstanden nichts, nur gelegentlich einige Worte.
    „Was sagt sie?“
    „Der Schwarze Tod. Was soll das heißen?“ fragte Madame Couderc beeindruckt. „Und die Art, um ihr Leben zu flehen, als ob wir vorhätten, ihr etwas anzutun!“
    Aber die Fremde hob den Kopf und die gefalteten Hände, und die Tränen liefen über ihr Gesicht.
    „Hohe Frau und Ihr, mein Herr, habt Mitleid im Namen unserer Heiligen Jungfrau und ihres Kindleins! Der Schwarze Tod regiert bei uns, und unser Dorf ist abgeschnitten. Die Söldner des Ritters verbieten uns, es zu verlassen, und wir haben kein Brot mehr, denn Meister Junin, unser Bäcker, ist vergangene Nacht von uns gegangen. Der Schwarze Tod wird uns alle verschlingen, oder wir sterben des Hungers.“
    „Ich verstehe überhaupt nichts“, sagte Couderc. „Das einzige, was klar ist: sie will Brot.“
    Und tatsächlich sah die Unbekannte unverwandt die vereinzelten Brote an, die vom Vortag noch in den Regalen lagen. Sie verschlang sie fast mit den Augen, und Madame Couderc holte zwei und hielt sie ihr hin. Die Fremde küßte ihr die Hände und weinte leise.
    „Na, na“, sagte die Bäckerin. „Es ist alles halb so schlimm. Kommen Sie von weit her?“
    „Aus Burach“, erwiderte die Fremde.
    „Soso“, verwunderte sich die Bäckerin. „Ich habe Sie noch nie gesehen. Bei wem wohnen Sie denn?“
    „Ich heiße Gilette Bonnadoux. Mein Mann war Zinntöpfer. Er ist vergangene Woche von uns gegangen, und ich bin mit drei kleinen hungrigen Kindern zurückgeblieben. Zwei hat mir der Schwarze Tod bereits genommen.“
    Die Bäckersleute sahen einander mit ein und demselben Gedanken an: Diese Frau war verrückt.
    Die Fremde verbarg die Brote unter ihrem Umhang und lächelte: „Niemand soll mich sehen damit! In dieser Zeit, da der Herr uns alle straft, töten einander die Menschen um weniger.“
    Ohne daß die Coudercs sie hätten halten können, lief sie zur Tür, grüßte ein letztes Mal und verschwand in der Nacht.
    Die Bäckerin eilte ans Fenster.
    „Siehst du sie?“ fragte er.
    „Sie läuft die Straße hinunter. Nein, so was! Sie biegt bei Hilarius um die Ecke!“
    „Bei Hilarius?“
    Couderc dachte nach, während er den Teig rührte. „Aber dort wohnt niemand. Dort gibt es keine Tür. Nur die Seitenwände der beiden Häuser links und rechts und dahinter eine Mauer, die keinen Durchgang hat!“
    Aber sie ist dort verschwunden.“
    „Das ist eine Sackgasse“, meinte er eigensinnig. „Es gibt dort keinen Durchgang.“
    „Ich weiß“, sagte sie tonlos. „Louis, ich habe Angst. Du solltest nachsehen gehen.“
    „Jetzt, mitten in der Nacht? Außerdem sollte das Brot längst im Ofen sein. Die Frau wird aus dem Tal gekommen sein, oder aus einem Nachbarort.“
    „Jetzt, um diese Zeit?“
    „Sie wird gewußt haben, daß ich um diese Zeit schon auf bin.“
    Trotzdem nahm er, als das Brot im Ofen war, eine große Stalllaterne und stapfte hinunter zum Hilariusgässchen. Er erkannte, deutlich die Spur der Schuhe im Schnee, eine spitze Spur, wie der Abdruck eines Bootes. Und er entdeckte
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