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0405 - Mit Blut geschrieben

0405 - Mit Blut geschrieben

Titel: 0405 - Mit Blut geschrieben
Autoren: Jason Dark
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genug geworden, sodass er anfangen konnte zu schreiben. Er beugte sich vor, setzte an und schrieb die ersten beiden Worte mit seiner steilen, kantig wirkenden Schrift.
    RASPUTINS TESTAMENT
    Kein Geringerer als Rasputin, der unheimliche Mönch, Magier und Wunderheiler war der einsam in seiner Zelle sitzende Mann. Er, der das Kloster verlassen hatte, war wieder zu ihm zurückgekehrt, um dort sein Testament zu hinterlassen.
    Ein Einsamer, ein Mensch, der wusste, dass er sterben musste, und der dem Tod doch so gelassen ins Auge schaute und ihm sogar entgegentrat, hatte sich niedergesetzt, um seine letzten Worte zu Papier zu bringen. Das Testament war brisant, er wusste es, und ein Lächeln kerbte seine Lippen. Wer es in die Finger bekam, würde viel wissen, über Magie, Okkultismus und über Praktiken, die ihren Ursprung in der Vergangenheit hatten und als Götzenmagie bezeichnet werden konnten.
    Wer es irgendwann einmal fand, würde mehr über ihn und sein Leben erfahren, das stand fest.
    So schrieb er.
    Und er vergaß die Zeit. Minuten und Stunden interessierten ihn nicht. Rasputin saß da, schrieb Seite für Seite und ließ sein Leben noch einmal vor seinem geistigen Auge ablaufen. Nur sein Atem und das Kratzen des Federkiels auf dem Papier waren zu hören, ansonsten herrschte um ihn herum fast die Stille des Todes.
    Seite für Seite klappte er um. Längst war die Tageswende überschritten. Die Temperaturen waren weiter gefallen, und die Kälte drang auch in die Zellen des alten Klosters, doch Rasputin spürte sie nicht. Er schrieb weiter.
    Seine Finger sahen starr aus. Sie wirkten wie eingefroren.
    Hin und wieder musste er sie bewegen. Er konnte einfach nicht ohne Pause schreiben, und in einer dieser Pausen, als er sich auf dem Stuhl zurücklehnte, vernahm er das Geräusch.
    Bisher war es still um ihn herum gewesen. Nun erklang aus dem Gang hinter ihm das Schleifen. Rasputin hatte die Tür nicht verschlossen gehabt, deshalb waren die Geräusche so deutlich zu vernehmen gewesen.
    Er drehte sich auf seinem Stuhl sitzend um. Sein Gesicht geriet dabei aus dem Schatten der Laterne und verschwand im Schatten des Raumes. Nur die Augen lebten darin. Sie zeigten den unheimlichen, düsteren Blick, der sich jetzt auf die Tür richtete.
    Es war also noch jemand im Kloster.
    Aber wer besaß die Frechheit, zwischen diesen Mauern zu leben?
    Fürst Rasputin, wie ihn der Zar und die Zarin einmal genannt hatten, würde es bald wissen.
    Er wartete und hörte, wie sich die Schritte seiner offenstehenden Zellentür näherten und plötzlich stoppten, als hätte der andere Angst, noch einen Schritt weiter zu gehen.
    Rasputin lächelte kalt, bevor er sprach: »Komm ruhig zu mir. Wer immer du auch sein magst.«
    Und der andere kam. Er ging den Rest der Strecke, erreichte die Tür und füllte deren Spalt mit seinem Umriss aus.
    Noch zögerte er.
    »Nun komm schon.«
    »Ja, ich komme.«
    Die Antwort war bereits in das Schlurfen der Schritte hineingeklungen. Rasputin lauschte dem Klang nach. Er überlegte, wo er die Stimme schon einmal gehört hatte. Auf sein Gedächtnis konnte er sich verlassen, und der Klang dieser Stimme war ihm nicht unbekannt gewesen. Jemand musste das Kloster die langen Jahre über besetzt gehalten haben, aber es war kein Mönch, das konnte er schwören.
    Der andere betrat das Zimmer.
    Eine ebenfalls düstere Gestalt, die gebückt ging, als hätte sie Angst davor, mit dem Kopf gegen den Türbalken zu stoßen. Das brauchte sie nicht zu haben, der Mann war kleiner als Rasputin.
    Auch vor seinen Lippen dampfte der Atem. Er hatte eine Strickmütze über den Kopf gezogen. Nur das Gesicht blieb frei. Ein blasser Fleck unter dem Oval der Mütze. Erst beim Näherkommen schälten sich die Züge genauer hervor, und da erst erkannte der ehemalige Mönch den Ankömmling.
    Es war Boris!
    Ja, die lange Zeit seiner Abwesenheit vom Kloster hatte Boris nichts getan. Noch immer sah er so aus wie früher. Noch immer hatte er diese faltige Haut und den hellgrauen Bart, der wie Gaze sein Kinn und den Mund umflatterte.
    Boris blieb stehen. Er zwinkerte mit den Lidern, weil er in den Lampenschein geschaut hatte. Dann verzog er die Lippen zu einem Lächeln, das nicht so gemeint war, denn Rasputin erkannte genau den ängstlichen Ausdruck und die Überraschung auf den Zügen.
    »Du bist noch hier?«, fragte der ehemalige Mönch.
    »Ja, ich konnte das Kloster nicht verlassen.«
    »Komm her zu mir!«
    Boris schüttelte den Kopf. »Nein, nein, ich
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