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0405 - Mit Blut geschrieben

0405 - Mit Blut geschrieben

Titel: 0405 - Mit Blut geschrieben
Autoren: Jason Dark
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werde nicht kommen. Du bist gegangen, du bist…«
    »Komm!«
    Das letzte Wort war so hart ausgesprochen worden, dass Boris, der einmal Kalfaktor im Kloster gewesen war, zusammenzuckte, als hätte er einen Peitschenhieb erhalten.
    Diesen Ton kannte er von früher. Da hatte er auch immer gehorcht. Rasputin ließ den Halter sinken, legte ihn hin und streckte seinen rechten Arm aus. Aus der Ärmelöffnung ragte seine schmale, dennoch kräftige Hand wie eine Geisterkralle hervor.
    Er winkte mit dem gekrümmten Finger. »Willst du nicht?«, fragte er heiser flüsternd. »Du weißt genau, dass ich stärker bin. Ich bin es immer gewesen.«
    Boris nickte. Es war besser, wenn man Rasputin gehorchte.
    Dessen Wutausbrüche kannte er noch aus früheren Zeiten, und so setzte er sich langsam in Bewegung, bis er neben dem Unheimlichen im langen Mantel stehen blieb.
    »Ja, so habe ich es haben wollen!«, flüsterte der ehemalige Mönch.
    »So ist es richtig.« Er schaute dem anderen ins Gesicht. »Weshalb bist du noch im Kloster?«
    Boris bewegte den Mund, ohne etwas zu sagen. Er hob die Schultern und suchte nach Worten. »Weshalb?«, murmelte er. »Ja, weshalb bin ich hier? Ich wusste nicht mehr, wo ich hingehen sollte, verstehst du? Ich hatte keine Heimat. Das Kloster ist für mich die Heimat. Ich habe hier immer gelebt und werde hier auch weiterleben. Das wollte ich dir sagen.«
    »Ich verstehe dich.«
    Boris lächelte. »Es ist lange her, dass du uns verlassen hast, Mönch Rasputin.«
    »Stimmt.«
    »Man hat viel über dich gehört. Du bist berühmt geworden. Die Leute erzählen sich einiges von dir. Es gibt bereits Geschichten und Legenden.«
    »Was erzählt man sich denn?«
    »Dass du am Hofe des Zaren ein berühmter Mann geworden bist. Man spricht von dir mit Angst und Ehrfurcht. Du sollst derjenige gewesen sein, der die Zarin…« Boris stockte.
    »Sprich weiter.«
    »Warst du nicht in ihren privaten Gemächern?«
    Rasputin lachte krächzend. »Ja, das stimmt, die Leute haben nicht gelogen.«
    »Ich hörte es. Aber jetzt bist du zurückgekommen«, murmelte Boris. »Darf ich nach dem Grund fragen?«
    »Du darfst. Ich bin zurückgekehrt, weil ich mein Testament schreiben werde.«
    Rasputin hatte mit flüsternder Stimme gesprochen. Boris trat hastig einen Schritt zurück und bekreuzigte sich.
    »Lass das!«, fuhr ihm der ehemalige Mönch in die Parade. »Lass dieses Zeichen!«
    »Ja, ja, schon gut.« Es dauerte, bis sich Boris gefangen hatte. Er schielte zur Tür. Auf einmal fühlte er sich nicht mehr gut. In seinem Magen spürte er den Druck. Die Angst hielt ihn in ihren Krallen. Er bewegte seine Hände und schaffte es nicht, dem Blick der Augen auszuweichen.
    Diese düsteren Augen kannte er von früher her. Wie hatte er sie gehasst! Wie hatte er diese Augen gehasst, die einen Menschen so in ihren Bann zwingen konnten.
    »Willst du noch etwas wissen?«, fragte Rasputin.
    »Ja, ja. Ich frage mich, ob du noch lange hier im Kloster bleiben willst.«
    »Bis mein Testament geschrieben ist.«
    »Und dann?«
    »Gehe ich fort. Ich lasse die Zeilen hier. Irgendwann einmal findet sie jemand, aber du wirst es nicht sein, das versichere ich dir.«
    Boris verengte die Augen. »Wieso nicht?«
    Rasputin lächelte. »Muss ich noch deutlicher werden?« Er machte Fingergymnastik, ließ die Knochen knacken. »Muss ich wirklich noch deutlicher werden?«
    Boris’ Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. »Nein, nein, das brauchst du nicht.«
    Rasputin nickte. »Mein Testament hatte ich ungestört schreiben wollen. Dein Pech, dass du im Kloster geblieben bist. So wird es dann zu deinem Grab werden, und du hast keine Chance, mir zu entkommen.«
    »Ich habe dir nichts getan, Rasputin. We-weshalb willst du mich töten?« Boris stotterte vor Angst.
    »Das habe ich dir doch gesagt. Niemand darf mich stören. Du würdest das Kloster verlassen und in die Welt gehen, um von meinem Testament zu berichten. Das genau will ich nicht. Niemand soll etwas wissen, bevor die Zeit reif ist. Niemand!«
    Boris nickte. Ihm kam die Geste so vor, als hätte er damit sein eigenes Todesurteil unterschrieben. Es war kalt in der Zelle. Boris schwitzte trotzdem.
    Einen Schritt ging er zurück.
    Rasputin ließ ihn. Der ehemalige Mönch hatte sich auf seinem Stuhl gedreht und sah zur Tür hin. Sein Gesicht zeigte einen verkniffenen Ausdruck, auch wenn der Mund so verzogen war, als würde er ständig lächeln.
    Der Lampenschein fiel nur auf seine rechte Gesichtshälfte, die
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