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0405 - Mit Blut geschrieben

0405 - Mit Blut geschrieben

Titel: 0405 - Mit Blut geschrieben
Autoren: Jason Dark
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Tür an der Seite, durch die er früher immer die düsteren Räume des Klosters betreten hatte.
    Jetzt erschienen sie ihm noch dunkler und feuchter. Seit Jahren lebte offiziell niemand mehr hinter diesen Mauern. Das Schweigen der Ewigkeit regierte dort.
    Die Tür sperrte, obwohl sie nicht verschlossen war. Mit einem Tritt schaffte sich der Unheimliche freie Bahn und trat über die Schwelle. Seinen rechten Arm mit der Lampe hielt er ausgestreckt.
    Das kleine Licht tanzte über die dicken Steinwände, berührte Spinnweben und Risse in der Decke.
    Es geisterte auch über die Türen der einzelnen Klosterzellen. Hinter einer von ihr hatte der Unheimliche seine Kammer gehabt. Am Ende des langen Flures, der so verlassen wirkte wie eine Kirche am Alltag, lag die Kammer des Ankömmlings. Der schwache Laternenschein begleitete ihn. Seine Finger steckten in dunklen Handschuhen und umfassten den Griff der Laterne, die bei jedem Schritt schwankte und ständig andere Schattenbilder an die Wände warf.
    Die meisten Türen standen offen. Niemand hielt sich mehr in den Zellen auf.
    Gläubige hatten die Mönche vertrieben und sie verfolgt. Einer von ihnen aber war zurückgekehrt, um die letzte Aufgabe seines Lebens zu erfüllen. Er wusste, dass der Tod nahe war. Vor einigen Wochen schon hatte er das Streicheln seiner Knochenhand gespürt, als jemand versuchte, ihn mit Zyankali zu vergiften.
    Der andere hatte es nicht geschafft, und seitdem rankten sich noch mehr Legenden um die Person des Unheimlichen, der seine alte Zelle endlich erreicht hatte und die Tür nicht verschlossen fand.
    Er ging hinein.
    Kalt war es. An den Wänden glitzerte feucht das Eis. Der Tisch war noch da, das Bett ebenfalls. Der Strohhaufen darauf war längst verfault und stank. In dem Haufen raschelte es. Mäuse hatten dort ihren Wohnplatz gefunden.
    Er fand auch noch den Stuhl. Mit der Lehne berührte er die leergeräumten Regale, in denen sonst die Bücher gestanden hatten, um die der Mann so beneidet worden war.
    Seine Mitbrüder neideten ihm sein Wissen, seine Erfahrung, seinen geistigen Horizont.
    Er stellte die Laterne auf den Tisch und zog den Stuhl so heran, dass er vor dem Tisch auf der harten Sitzfläche Platz nehmen konnte. Das Licht reichte aus, um nicht nur die Tischplatte mit ihrer dicken Staubschicht zu erhellen, es fiel auch auf das Gesicht des Mannes, der seinen Schal auszog und zu Boden schleuderte. Seine dunklen Augenbrauen hatten die gleiche Farbe wie die Pupillen.
    Immer waren es zuerst die Augen gewesen, vor denen sich die Menschen am meisten gefürchtet hatten.
    Den bösen Blick sollte der Mönch gehabt haben.
    Tatsächlich hatte der Blick etwas Zwingendes, Hypnotisches, der andere Menschen beeinflussen konnte. Die Wangen mit der dünn wirkenden Haut und den auslaufenden Schatten des langen Schwarzbartes zuckten des Öfteren, wenn der Unheimliche den schmallippigen Mund bewegte. Er hatte eine Aufgabe vor sich liegen, und er packte sie an.
    Der Mann rieb seine Hände. Sie waren kalt geworden. Lange, blasse Finger hatte er. Sie erinnerten an die eines Klavierspielers oder an die eines Henkers, der mit großem Geschick die Schlinge knüpfte. Manchmal knackten die Knochen, wenn er an den Händen zog, und er ballte die Hände des Öfteren zur Faust, streckte sie dann, zog wieder an den Fingern, wobei er erst jetzt zufrieden war.
    Vor sich unter der Tischplatte befand sich die Schublade. Er wusste genau, dass die Sachen noch in ihr liegen würden, die er vor seinem Weggang hineingestopft hatte. Niemand hätte sich getraut, sie an sich zu nehmen. Seine Zelle war tabu für die anderen gewesen, denn den Besitzer der Zelle umgab stets das Flair des Geheimnisvollen und Unheimlichen.
    Die Lade klemmte, als er sie aufzog, und der Mann musste schon Kraft einsetzen. Als sie zur Hälfte offen stand, griff er hinein und holte das hervor, dessentwegen er sich in der Nacht überhaupt auf den Weg gemacht hatte: eine verstaubte Kladde, ein altes Tintenfass und einen Federhalter. Das Tintenfass war fest verschlossen. Die Flüssigkeit hatte sich die Jahre über gehalten. Er schüttelte sie und nickte zufrieden. Dann drehte er das kleine Fass auf. Der Verschluss klemmte ein wenig, ließ sich aber bewegen.
    Er stellte es neben die Laterne, schaute auf die Vorderseite der Kladde und das Stück Papier, das auf den harten Umschlag geklebt worden war. Dort sollte der Titel des Buches hin.
    Er tunkte die Feder des Halters in die Tinte. Seine Hände waren geschmeidig
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