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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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vielleicht eine Ursache für alles, was geschehen war? Welche Kräfte auch immer das Moor über die Menschen zu haben schien – selbst wenn sie nur in den abergläubischen Gehirnen der Menschen existierten, mochten sie auf die eine oder andere Art wirksam werden. Es war ein phantastischer Gedanke! Wilma war durch das Moor umgekommen, nicht wahr? Ohne Grund war sie im Moor verschwunden! Was taten die Leute nachts im Moor? Je düsterer ein Ort, desto mehr ist der Teufel in den Menschen lebendig!
    Je mehr man sich in einen Gedanken verrennt, desto wichtiger scheinen einem plötzlich die bedeutungslosesten Details. Wilma hatte ihre letzten Tage in Bernheim verbracht. Sie stand kurz vor ihrer Heirat und hatte bereits eine Wohnung in Rosenheim, als es geschah – so als gäbe das Moor sie nicht frei. Ich wußte nicht, ob Gisela alle diese Gedanken schon einmal gewälzt hatte, oder ob diese Erwägungen nur von einem außenstehenden Beobachter vorgenommen werden konnten.
    Sie war neunzehn und hatte neun Jahre ein Gymnasium außerhalb Bernheims besucht. Jetzt lockte sie die Universität. Sie wollte endgültig weg aus Bernheim.
    Drohte ihr nicht die gleiche Gefahr?
    Vielleicht war es wirklich nur Spinnerei, diese gespenstischen Zusammenhänge zu sehen. Aber ich war immer schon der vorsichtige Typ gewesen, der nie einen bedrohlichen Gedanken ganz verwarf. Ich wußte, ich durfte Gisela nicht mehr aus den Augen lassen. Ich hatte Angst um sie. Verdammt, ich war auf dem besten Weg, mich zu verlieben, und wenn es geschah, würde ich keine ruhige Minute mehr haben!
    Wir vermieden bewußt die Geschehnisse der letzten Tage zu erwähnen. Es tat ihr gut, sich aussprechen zu können, und ich erzählte ihr ein wenig von mir, von meinem bisher recht erfolglosen Studium, von meiner recht ereignislosen Jugend und meinem verdammten Hang zu phantasieren und Dinge hinter den Dingen zu sehen, die gar nicht vorhanden waren, und die ich doch immer wieder zu finden hoffte.
    Wir tranken Bruderschaft. Wir küßten uns – ein wenig vorsichtig, als wären wir unsicher, ob nun auch wirklich alles Fremde zwischen uns verschwinden würde, kannten wir uns doch erst so kurz. Aber Küssen löst im allgemeinen eine Reihe von physischen Reaktionen aus. Wenn es das nicht tut, sollte man es bleiben lassen.
    Als wir aufbrachen, meinte sie verlegen: „Robert, ich möchte nicht, daß du es mißverstehst. Aber ich werde heute nacht in dieser Wohnung kein Auge zu tun. Würdest du mitkommen?“
    „Der beste Einfall des Abends“, sagte ich.
    Sie lächelte unsicher.
    Wir fuhren erst zu meiner Bude. Frau Hirschwald, meine Zimmerwirtin, war bedauerlicherweise noch auf und musterte ‚mich mit vielsagenden Blicken, als ich mit vollgepackter Tasche wieder fortging. Sie stand meiner Art von Studentenleben höchst ablehnend gegenüber, obwohl ich nun wirklich nicht der Herumtreiber und verlotterte Typ bin. Es lag wohl daran, daß sie fürchtete, mein etwas zäher Studienfortgang könnte auf ihren Sohn Heinz abfärben. Früher oder später, das wußte ich, würde ich mir ein neues Zimmer suchen müssen.
    Kurz vor eins kamen wir schließlich in die Kaiserstraße. Wir schlichen uns auf leisen Sohlen in die Wohnung. Dennoch hörte uns Mielte kommen und steckte seinen Kopf zur Tür heraus.
    „Etwas Neues?“ fragte ich ihn.
    „Nein“, flüsterte er. Er schien an Schlaflosigkeit zu leiden, die jedoch nicht altersbedingt war. Seine Augen waren rot unterlaufen vor Müdigkeit. Er tat mir direkt leid, und ich sagte: „Warum nehmen Sie nicht ein paar Tabletten, damit Sie schlafen können? Wovor fürchten Sie sich eigentlich? Von Ihnen will das Mädchen ja nichts. Wenn Sie mich fragen, hat sie es auf Fräulein Kurtz abgesehen, und die werde ich in den nächsten Tagen nicht aus den Augen lassen.“
    Er nickte.
    „Noch etwas“, sagte ich, als wir schon halb die Stufen hinauf waren, und er uns noch immer nachblickte. „Seien Sie doch so nett und rufen Sie am Morgen Kommissar Pesch an und teilen Sie ihm mit, daß Fräulein Kurtz in der Stadt ist. Wir werden morgen Vormittag aufs Kommissariat kommen.“
    „Ja, Herr Fischer. Er ließ bereits nach Ihnen fragen.“
    „Dachte ich mir. Er ist wie ein Tanzbär – immer in Bewegung. Aber das sagen Sie ihm lieber nicht.“
    Natürlich, er hatte ja gesagt, er ließe mich beobachten. Ich hoffte nur, daß er uns morgen Abend nicht in die Quere kam. Wir wünschten Mielte eine gute Nacht. Als wir in der Wohnung waren, merkte ich erst, wie
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