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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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gesehen“, stieß er heiser hervor.
    „Sie haben …“ entfuhr es mir.
    „Sie kam vor einer guten Stunde“, fuhr er fort, ganz im Bann der Erinnerung. „Ich hatte im Stiegenhaus zu tun, darum sah ich sie kommen.“
    „Sie müssen sich getäuscht haben. Meine Schwester ist doch tot!“ wandte Gisela ein.
    „Das weiß ich“, erwiderte der Hausmeister. „Das ist es ja gerade. Trotzdem wußte ich sofort, daß nur sie es sein konnte. Diese Ähnlichkeit mit Ihrer Mutter und mit dem Bild, dem Foto, das sie mir zeigte!“ Er sah mich wie um Hilfe heischend an, doch ich konnte seinen Blick nur stumm erwidern.
     

     
    Mit zittriger Stimme fuhr er fort: „Selbst wenn ich gewollt hätte, ich konnte mich nicht bewegen. Mein Vater hatte immer gesagt, der Fortschritt sei nur eine Rüstung für den Menschen, in die er sich verkriecht, weil er die alten Ängste nicht los würde. Es gibt Geister, sagte er immer, und manchmal, da könne man mit den Toten reden.“ Er schüttelte sich. „Das fiel mir alles wieder ein, als ich das Mädchen sah.“
    „Aber das ist unmöglich“, begann Gisela erneut. „Es muß sich um irgendein anderes Mädchen gehandelt haben. Vielleicht hat sie etwas damit zu tun, daß meine Mutter verschwunden ist.“
    „Sie ging hinauf“, erwiderte der Hausmeister. „Ich folgte ihr nur so weit, daß ich erkennen konnte, vor welcher Tür sie stand. Es war die Ihrer Mutter. Sie schloß auf und …“
    „Sie hatte einen Schlüssel?“ unterbrach ich ihn rasch. Es schien mir sehr bedeutungsvoll. Auch Gisela sah mich vielsagend an.
    „Ja“, meinte der Mann, nun doch auch ein wenig verwundert. „Sie hatte offenbar einen Schlüssel. Sie verschwand im Zimmer. Dann hörte ich eine Weile nichts mehr. Aber nach einer Viertelstunde kam sie wieder heraus und ging fort. Sie – sie hat mich gesehen. Ihr Gesicht war ganz weiß. Sie – sie sagte nichts. Sie sah mich nur einen Augenblick an. Dann verschwand sie.“
    „Sie verschwand?“ fragte ich aufhorchend.
    „Ja – sie ging, ohne mich weiter zu beachten.“ Er zuckte hilflos die Schultern.
    „Waren Sie schon oben, ich meine, nach ihrem Besuch?“
    „Nein“, sagte er abwehrend. „Keine zehn Pferde hätten mich da hinaufgebracht.“
    „Haben Sie sonst irgend etwas unternommen; die Polizei verständigt oder …“
    „Nur das Fräulein Kurtz habe ich versucht anzurufen. Ich konnte doch niemandem erzählen, mir wäre eine Tote begegnet, oder?“
    Ich ignorierte Giselas wilden Blick.
    Ich konnte mir nicht helfen, ich mußte grinsen. Ich konnte mir seine Gewissensnot vorstellen. Er fürchtete, daß ihn jeder für verrückt halten würde, und gleichzeitig fürchtete er sich vor dem Unmöglichen, das er gesehen hatte. Von mir wußte er, daß ich es auch gesehen hatte. Es machte alles sichtlich leichter für ihn, einen Verbündeten zu haben.
    „Sie haben recht“, stimmte ich zu. „Es hat mir auch schon eine Menge Mißtrauen bei Inspektor Pesch eingebracht, Herr Mielte.“
    Gisela sah mich überrascht an. „Wollen Sie damit sagen, daß auch Sie Wilma gesehen haben?“
    Ich nickte.
    „Aber Sie kennen Sie doch gar nicht!“
    „Wie Herr Mielte erkannte ich sie sofort. Und außerdem habe ich mit ihr gesprochen.“
    „Sie haben mit ihr gesprochen?“ entfuhr es Mielte entsetzt.
    „Allerdings. Im Buchladen. Immerhin bekam ich heraus, daß die Frau Kurtz, die ich suchte, ihre Mutter war. Und dann sah ich sie am Stadtplatz vor meinen Augen verschwinden.“
    Der Hausmeister starrte mich an. Sein Gesicht war weiß wie die Wand. Meine Bestätigung seines noch immer nicht ganz eingestandenen Geisterglaubens gab ihm den Rest. Er zitterte am ganzen Leib.
    Auch Gisela starrte mich an. Aber ihr war der Unglauben deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie hielt mich für einen Verrückten und bereute wohl bereits, meine Bekanntschaft gemacht zu haben. Deshalb bedauerte ich meine Bemerkung sofort.
    „Kommen Sie mit“, bat ich Mielte. „Sehen wir uns an, was unsere unbekannte Freundin in der Wohnung gesucht hat. Wer sie auch immer ist, ich glaube sie sucht etwas Bestimmtes.“
    „Nein“, entgegnete der Hausmeister. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich hierbleiben.“
    „Dann geben Sie uns den Schlüssel“, meinte ich ungeduldig.
    Den gab er uns nach einem Augenblick mit noch immer recht zittrigen Fingern und starrte uns nach, während wir nach oben gingen. Ich vermied es, das Mädchen anzublicken. So ganz wohl fühlte ich mich nicht dabei, als ich aufschloß.
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