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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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müde ich war. Ich würde Gisela keine sehr große Hilfe sein, wenn sie sich nachts wirklich fürchten sollte. Aber auch sie kämpfte bereits gegen die Müdigkeit. Es war eine ruhige Nacht. Wir hatten nicht einmal Alpträume.
     

     
    Wir hatten am Vormittag eine Verabredung mit Kommissar Pesch. Meine war sehr kurz und endete mit dem Rat des Kriminalisten, meine Finger doch endlich von der Sache zu lassen. Ich blieb ihm eine Antwort darauf schuldig. Da er sich mit Gisela eingehender unterhalten wollte, um einiges über die verschwundene Mutter in Erfahrung zu bringen, hatte ich Zeit, in die Uni zu fahren, um eine wichtige Vorlesung zu hören.
    Als ich sie gegen Mittag wieder traf, war sie recht niedergeschlagen. Das Interview mit Pesch hatte sie sehr mitgenommen. Sie war nun aus dem Traumzustand erwacht, in dem ich sie zu halten versucht hatte. Der Schmerz und die Furcht, ihre Mutter zu verlieren und ganz allein zu sein, denn ihren Vater hatte sie nie gekannt, unterdrückte alle anderen Gefühle. Es gelang mir auch nicht, sie zu trösten. Es war ein trauriger Nachmittag, den wir in der Wohnung ihrer Mutter verbrachten, und aus der ich sie nicht herauszulocken vermochte.
    Erst am späten Nachmittag rüttelte ich sie auf, als ich schließlich verärgert feststellte: „Wir vergeuden nur die Zeit, wenn wir uns hier verkriechen und Trübsal blasen. Das bringt außerdem deine Mutter nicht zurück!“
    Das löste ihre innere Verkrampfung. Offenbar hielt sie mich für ein kaltherziges Scheusal, denn sie erwiderte heftig: „Ich habe dich nicht gebeten, hierzubleiben. Wenn du gehen willst, geh!“
    „Na also“, meinte ich unbeeindruckt. „Wenn du wütend bist, nimmst du mich wenigstens wahr.“
    Sie ließ die Schultern wieder hängen. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, bereits wieder halb abwesend.
    Rasch ergriff ich ihren Arm und zog sie auf meinen Schoß. Bevor sie dazu kam, sich zu wehren, hatte ich sie in meinen Armen und küßte sie intensiv. Nun konnte sich weisen, ob sie etwas für mich empfand, oder ob ich es mir nur einbildete. Einen Augenblick lag sie weich in meinen Armen. Dann erstarrte sie und versuchte sich frei zu machen. Doch das nützte ihr nicht viel, ich hatte sie zu schön im Griff.
    Aber nach einem Moment gab ich sie doch frei, als ihre Abwehr heftiger wurde. Es war nur ein spontaner Versuch gewesen. Ich wollte sie ja nicht zwingen. Mit vor Anstrengung krebsrotem Gesicht keuchte sie: „Du bist …“ Dann schien ihr das richtige Wort zu fehlen. Ihre Augen funkelten mich wütend an.
    Rasch ergänzte ich: „Ja, du hast recht. Ich bin verliebt in dich!“
    „Das ist …“, entfuhr es ihr.
    Ich unterbrach sie: „Natürlich, es war ein Fehler, dich so lange im unklaren zu lassen. Besonders, da ich es schon seit heute morgen weiß. Aber dieser verdammte Kommissar hatte es so eilig. Und obwohl er im Grunde gar nichts weiß, hat er es fertiggebracht, dich mit Pessimismus vollzustopfen. Manche Leute haben ein Talent dafür. Dabei hatte ich gehofft, du würdest mich heute küssen. Aber der Nachmittag verging, und es sah gar nicht mehr danach aus, deshalb …“
    Ich war so mit meinen Erklärungen beschäftigt, daß ich gar nicht merkte, wie der Zorn aus ihren Augen schwand. Sie unterbrach mich höchst wirkungsvoll, indem sie ihren Mund auf meinen drückte. Himmel, und mich hatte der Bruderschaftskuß am Vortag schon ziemlich aufgeregt. Aber das hier – das einzige, woran ich dachte, war, daß es mich ziemlich erwischt haben mußte, wenn ein kleiner Kuß schon solche Empfindungen auslöste. Meine bisherigen Erfahrungen mit Mädchen waren da eher nüchterner gewesen, auch wenn sie im Bett geendet hatten.
    Nach dem Kuß sagte sie nichts, sondern hielt sich krampfhaft an mir fest und barg ihr Gesicht an meinem Hals. Ich rührte mich nicht. Es war angenehm, sie so zu halten, mit dem Bewußtsein, daß meine Gefühle offenbar erwidert wurden. Ich genoß es.
    Plötzlich ließ sie mich los und sprang auf. „Ich sehe, du verstehst es, eine Situation zu nützen“, bemerkte sie vorwurfsvoll.
    „Tut mir leid, daß du das denkst, Gis“, erklärte ich. „Ich hab mir die Situation nicht ausgesucht. Ich wünschte mir, diese schrecklichen Dinge wären nicht geschehen – aber dann hätte ich dich nicht kennengelernt, und das bringt mich in Konflikt mit meinen Wünschen.“ Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
    Sie kam wieder und schlang die Arme erneut um mich. „Es ist ja nicht so“, meinte sie ernst,
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