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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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Sie sah nur mich an. Es lag eine deutliche Drohung in ihrem Blick, bei der es mir kalt über den Rücken lief.
    „Seien Sie gewarnt, daß ich Sie im Auge behalten werde“, zischte sie. Dann sah sie Gis an, und ihre Züge wurden weich. „Ja, ich bin es wirklich, mein Herz. Sieh her – erinnerst du dich nicht an das Kleid?“
    „Aber wie ist es möglich?“ flüsterte Gisela. „Es gab keinen Zweifel, daß du ertrunken warst.“
    „Ich bin es auch“, erklärte Wilma, und alles weiche verschwand aus ihren Zügen. „Jemand rief mich. Jemand wartete auf mich im Moor. Ich mußte dem Ruf Folge leisten. Aber ich fand niemanden. Nur den Tod. Sieh mich an!“ Sie trat vor das Licht. „Fällt es dir nicht auf? Du mußt genau hinschauen, denn jetzt bin ich sehr stark. In ein bis zwei Stunden wird es offensichtlicher sein, wenn die Kräfte nachlassen, und ich zurück muß.“
    Im ersten Augenblick fiel mir nichts Ungewöhnliches auf, aber dann erkannte ich, was ich auch schon vor zwei Tagen auf dem Stadtplatz bemerkt zu haben glaubte: ihre Gestalt war durchscheinend. Nicht sehr – aber man konnte die Wandlampe schwach durch ihre Brust schimmern sehen. Und noch etwas fiel mir auf: sie warf keinen Schatten!
    Und sie atmete nicht!
    Wir starrten sie beide stumm an. Es war unmöglich! Aber es paßte zu allem, was bisher geschehen war. Ich fühlte mit einem Mal keine Angst mehr – nur noch Neugier.
    Gisela blickte mit weiten Augen auf ihre Schwester. Sie schien Furcht und Mitleid zugleich zu empfinden.
    „Mein Gott, Wilma – was ist mit dir geschehen?“ Sie machte einen Schritt vorwärts.
    Wilma wich erschrocken zurück. „Bleib wo du bist!“ rief sie. „Ich bin zurückgekommen, um dich zu warnen.“
    „Mich zu warnen?“ wiederholte Gisela bleich.
    „Du bist in großer Gefahr, Gis. Jemand ist wieder draußen im Moor und ruft!“
    „Mich?“ entfuhr es Gisela.
    „Ja, dich, Schwester.“
    „Ich habe nichts gehört“, stammelte sie.
    Die Blonde nickte. „Eines Tages wirst du es hören. Dann wird es zu spät sein. Aber jetzt bin ich hier. Zusammen werden wir es schaffen. Du mußt mir nur helfen, ich bin so schwach!“ Es klang mutlos.
    „Wilma, was kann ich tun?“
    „Wer ruft sie?“ mischte ich mich ein.
    Das tote Mädchen zögerte.
    „Ja, wer ruft mich?“ fragte auch Gis.
    „Ich weiß es nicht. Es gab nur einen Menschen, der es wußte: Mutter!“
    „Mutter?“ entfuhr es Gis.
    Wilma nickte. „Aber sie kann es uns nicht mehr sagen.“
    „Ist sie tot?“
    „Ja, Gis, sie ist tot. Und der gleiche Mörder hat sie auf dem Gewissen.“
    „Ermordet?“ rief Gisela aus. „Oh. mein Gott!“ Sie schwankte. Ich fing sie, bevor sie fallen konnte. „Aber wer könnte Mutters Tod gewünscht haben?“
    „Es war kein gewöhnlicher Mord“, erklärte Wilma. „Es gibt alte Kräfte, und Menschen, die sich ihrer bedienen. Es war jemand aus Bernheim, soviel weiß ich, jemand, der Mutter gut kannte!“
    „Sie ist verbrannt, nicht wahr?“ fragte ich.
    Wilma sah mich an. „Ja, sie verbrannte.“
    Gisela starrte mich entsetzt an. „Verbrannt? Und du wußtest es? Und hast mir nichts gesagt?“
    „Ich war bis jetzt nicht sicher, ob es stimmte. Was ich gesehen hatte, war einfach zu unglaublich.“ Ich erzählte es ihr und meine Vermutungen und daß daraus mein Interesse an der Sache geweckt worden war.
    „Ist das wahr?“ Hilfesuchend sah sie auf ihre Schwester. Diese nickte. „Versuch es zu verstehen“, sagte sie drängend. „Es ist böse, primitive Zauberei. Ihr Lebenden wenigstens nennt es so.“
    „Und Sie?“ fragte ich neugierig.
    „Für mich ist es eine Kraft wie jede andere, aber auch ich verstehe ihre Gesetze nicht. Ich weiß nicht, warum ausgerechnet ich zurückkehren darf. Und ich weiß nicht, wie lange noch. Aber ich werde versuchen zu helfen, so lange ich kann.“
    „Eure Mutter“, sagte ich zögernd, „konnte sie auch zaubern?“
    „Wahrscheinlich. Alles deutet darauf hin, daß jeder in Bernheim dieser Kräfte mächtig ist!“
    „Daran dachte ich auch schon“, stellte ich zur Verblüffung der beiden fest, „als du mir – von diesen nächtlichen Fahrten übers Moor erzähltest. Vielleicht übertragen die Eltern die alten Geheimnisse auf die Kinder.“
    Wilma nickte. „Das könnte wohl sein.“
    „Warum wißt ihr nichts?“ fuhr ich von plötzlichem Eifer erfüllt fort. „Eure Mutter muß Gründe gehabt haben, euch nicht einzuweihen. Und wenn ich mir vorstelle, welch strengen Gesetzen die
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