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038 - Der Geistervogel

038 - Der Geistervogel

Titel: 038 - Der Geistervogel
Autoren: James R. Burcette
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zitterten.
    Es gab für ihn keinen Zweifel, Frau Brockenhausen mußte seit mindestens einem halben Jahr tot sein. Ihr Körper war schon in Verwesung übergegangen.
    Das erklärte auch den Geruch, der in der Luft hing.
    Aber wie war das möglich? fragte sich Jan. Sie war doch noch gesehen worden, und da war sie lebendig gewesen.
    Rasch lief er aus dem Zimmer. Er mußte Haike suchen.
    Hastig rannte er die Stufen hoch.
    Haike konnte sich nicht bewegen. Der Leuchtturmwärter hatte sie noch immer an den Schultern gepackt.
    „Ich bin mächtig“, lachte Brockenhausen. „Niemand weiß, wie mächtig ich bin. Ich kann sogar Tote zum Leben erwecken. So wie meine Frau.“ Er kicherte wieder.
    „Niemand ahnt, daß ich sie vor einem dreiviertel Jahr erstochen habe. Ich erweckte sie zum Leben, wann ich es wollte, und keiner merkte etwas davon. Es machte mir Spaß. Besonders als sie herumgeisterte und Warnungen aussprach, die aber nichts nützten. Sie wollte dich auch warnen, meine Hübsche, aber ich verhinderte es.“ Haike wollte etwas sagen, doch ihr Mund war wie gelähmt.
    Nur heisere, unverständliche Laute kamen über ihre Lippen.
    „Du brauchst keine Angst zu haben, meine Schöne“, sagte Brockenhausen. „Dir geschieht nichts. Ich muß mindestens einmal im Monat irgend jemanden töten, daraus beziehe ich meine Kraft. Der Lebenshauch des Toten geht auf mich über, ich werde immer jünger und kräftiger. Aber dich will ich nicht töten, du wirst meine Gefährtin, die mir bedingungslos gehorchen wird. Aber jetzt habe ich noch etwas zu erledigen.“
    Er nahm die Hände von ihren Schultern und trat einen Schritt zurück.
    „Es wird dich interessieren, was ich vorhabe“, sagte er höhnisch. „Heute Nacht wird Jan sterben. Er wird sterben, und du wirst ihn vergessen, so wie du in den vergangenen Tagen nicht an ihn gedacht hast.“
    Er trat ans Fenster und stieg aufs Fensterbrett.
    „Es dauert nicht lange, mein Liebling“, lachte er. „In wenigen Minuten bin ich zurück. Freue dich der wenigen Minuten Freiheit, die dir noch bleiben.“
    Haike versuchte sich zu bewegen, doch es gelang ihr nicht.
    Sie war wie gelähmt. Plötzlich schwang sich Brockenhausen in die Luft und verschwand. Im gleichen Augenblick verschwand auch das mannsgroße Vogelskelett. Für Sekunden erkannte Haike vor dem Fenster den weißen Geistervogel, der die Flügel rasch bewegte und in Richtung Dorf flog.
    Es dauerte nur Sekunden, und die Lähmung fiel von Haike ab. Sie rannte zur Tür und versuchte sie zu öffnen doch es gelang ihr nicht. Wütend riß sie an der Klinke.
    „Haike“, hörte sie von draußen Jans Stimme.
    „Ich bin hier drinnen“, brüllte sie. „Brich die Tür auf. Rasch.
    Mach rasch. Jan.“
    Die Tür erbebte, als sich Jan dagegen warf, doch sie hielt seinem wütenden Ansturm stand.
    Haike zitterte vor Angst. Plötzlich hörte sie Geräusche im Zimmer, sie drehte sich um und erstarrte. Die kleinen Vogelgerippe gerieten in Bewegung. Ein Klappern lag in der Luft, ein unheimliches Klappern, gebildet aus Tausenden von winzigen Vogelknochen, die aneinander schlugen. Dann war ein hohles Singen zu hören.
    Haike ging in die Knie. Sie war halb bewußtlos vor Angst, als sich die Vogelgerippe aus den Regalen erhoben, sich abstießen und über ihr hinweg aus dem Fenster hinausflogen. Ein dichter Schwarm von Skeletten flog hinaus, es dauerte nur wenige Augenblicke, und das Zimmer war leer.
    Jan versuchte noch immer die Tür aufzubrechen, doch sie war zu stabil.
    „Kannst du mich hören, Haike?“ keuchte er.
    „Ja“, sagte das Mädchen und richtete sich auf.
    „Geh von der Tür fort“, sagte Jan. „Ich versuche das Schloß herauszuschießen.“
    „Ich habe verstanden“, sagte Haike und stand auf. Ihre Knie zitterten, angstvoll drückte sie sich gegen ein Regal. Jeden Augenblick konnte Brockenhausen zurück sein, dann war alles verloren.
    Sie hörte einen Schuß, dann noch einen. Endlich schwang die Tür auf, und Jan sprang ins Zimmer. Haike fiel ihm um den Hals.
    „Wir müssen fort“, sagte sie atemlos. Brockenhausen ist der Geistervogel. Er ist davongeflogen, um dich zu töten. Und da er dich nicht finden wird, kommt er sicherlich zurück. Wir müssen fliehen.“
    Sie drängte sich zitternd gegen ihn.
    „Flucht hat keinen Sinn“, sagte Jan grimmig. „Wir müssen ihn töten.“
    „Aber wie, Jan? Wie willst du ihn töten?“ Jan hob das Gewehr. „Damit“, sagte er und lud die Waffe nach. Er trat ans Fenster und blickte hinaus.
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