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038 - Der Geistervogel

038 - Der Geistervogel

Titel: 038 - Der Geistervogel
Autoren: James R. Burcette
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Vom Geistervogel war nichts zu sehen.
    „Ich habe Angst“, stammelte Haike. „Er wird dich töten. Und mich will er zu seiner Gefährtin machen. Er sagte so sonderbare Dinge, so unverständlich, so grauenvolle Sachen. Er ist der Geistervogel, ich sah es mit eigenen Augen. Er stieg aufs Fensterbrett und ließ sich fallen, und in demselben Augenblick verschwand ein großes Vogelskelett, und Sekunden später tauchte der Geistervogel vor dem Fenster auf.“
    Jan nickte.
    „Ich kann mir aber nicht erklären, wie es möglich ist, daß sich Brockenhausen in einen Vogel verwandeln kann“, schluchzte Haike. „Das kann es doch nicht geben, dabei sah ich es mit eigenen Augen.“
    Jan gab keine Antwort. Angespannt beobachtete er den Himmel.
    „Wir müssen das Licht abdrehen“, sagte er.
    „Nein“, keuchte Haike. „Ich komme sonst um vor Angst.“
    „Es bleibt uns aber keine andere Wahl“, stellte Jan fest. „Er sieht mich sonst und ist gewarnt.“
    Jan drehte das Licht ab und stellte sich wieder zum Fenster.
    Er glaubte zu träumen, das alles konnte nicht Wirklichkeit sein. Doch als er sekundenlang in Haikes entsetztes Gesicht starrte, wußte er, daß er nicht träumte.
    Er umklammerte die entsicherte Waffe und hielt sie schußbereit in den Händen. Seine Nerven waren aufs äußerte angespannt.
    Haike lehnte sich an ihn und behinderte ihn, aber er wollte sie nicht zur Seite schieben, da sie sonst vor Angst umgekommen wäre.
     

     
    Das Warten zerrte an ihren Nerven. Jan sehnte sich nach einer Zigarette, hatte aber Angst davor, auch nur eine Sekunde lang die Beobachtung des Himmels aufzugeben.
    Eine Wolkenbank schob sich vor den Mond, und Jan stieß einen wütenden Fluch aus. Für Sekunden konnte er kaum etwas erkennen.
    Endlich kam der Mond wieder hinter den Wolken hervor.
    Und dann sah er den weißen Schatten, noch ziemlich weit entfernt. Er schob Haike zur Seite und hob das Gewehr.
    Mühsam unterdrückte er das Zittern seiner Hände. Er konzentrierte sich.
    Der weiße Schatten wurde größer, doch er war noch zu weit entfernt, um einen Schuß zu riskieren.
    Haike hielt den Atem an und drückte ihre Hände so fest zusammen, daß sich ihre spitzen Fingernägel in die Handballen gruben, doch sie merkte den Schmerz nicht.
    Jetzt war der Vogel deutlich zu erkennen. Er ging etwas tiefer und schwebte rasch näher.
    Jans Finger krümmte sich um den Abzugshahn. Er hob die Waffe etwas an, zielte genau und wollte schon abdrücken, als der Geistervogel sich einige Meter fallen ließ. Jan biß die Zähne zusammen und senkte die Waffe.
    Er durfte sich keinen Fehlschuß leisten.
    Der Geistervogel stieg sanft höher, die mächtigen Flügel arbeiteten rascher, dann war das Rauschen zu hören, das das Toben der See übertönte.
    Er zog den Abzug durch. Er hörte nicht den Knall des Schusses und roch nicht den Pulverdampf. Er hatte nur Augen für den Geistervogel. Er hatte ihn getroffen, aber nicht gut genug, der rechte Flügel hing lahm zur Seite, und das gespenstische Wesen verlor an Höhe und kämpfte verzweifelt um sein Leben.
    Jan zielte nochmals und drückte ab.
    Die Kugel bohrte sich in den Leib des Geistervogels. Rasch schoß er nochmals.
    Der Geistervogel machte noch einige kurze Bewegungen mit den Flügeln, drehte sich umdie eigene Achse und fiel leblos aufs Meer. Jan setzte das Gewehr ab und riß das Nachtglas hoch.
    Deutlich konnte er den leblosen Geistervogel erkennen. Er ging langsam unter, und nach einer Minute hatte ihn das Meer verschlungen.
    Jan setzte das Glas ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    „Brockenhausen ist tot“, sagte er schwach. „Der Spuk ist vorüber.“
    Glücklich umarmte er Haike und küßte sie zärtlich auf die Lippen.
    „Wir haben es geschafft“, sagte er freudestrahlend. Er knipste das Licht an und sah sich genau im Zimmer um.
    Haike blieb dicht an seiner Seite. Sie fühlte sich unendlich müde und schwach.
    Jan blieb vor Brockenhausens Schreibtisch stehen und blätterte in den herumliegenden Papieren.
    „Gehen wir, bitte“, flehte Haike. „Ich halte es hier nicht länger aus.“
    Jan raffte die Papiere zusammen, verstaute sie in einer Mappe und richtete sich auf. „Wir müssen noch etwas tun“, sagte er. „Die Scheinwerfer sind nicht eingeschaltet. Ich muß hinauf gehen und sie einschalten.“
    Haike folgte ihm widerstrebend.
     

     
    Eine Viertelstunde später verließen sie den Leuchtturm und gingen den Strand entlang zum Dorf. Überall lagen Vogelskelette herum.
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