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038 - Der Geistervogel

038 - Der Geistervogel

Titel: 038 - Der Geistervogel
Autoren: James R. Burcette
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zwischen uns. Hast du verstanden? Es ist aus!“
    „Das kann doch nicht dein Ernst sein“, sagte er.
    „Es ist mein vollster Ernst“, sagte sie. „Ich will allein sein. Ich will nicht mit dir sprechen, alles, was zu sagen war, habe ich gesagt.“
    „Weshalb magst du mich nicht mehr, Haike?“
    „Das ist unwesentlich“, sagte sie. „Laß mich in Frieden. Ich will dich nicht mehr sehen.“
    Er glaubte nicht richtig zu hören. Was hatte diese plötzliche Veränderung hervorgerufen? Gestern noch war alles in Ordnung gewesen, sie waren am Strand gewesen und hatten sich leidenschaftlich geliebt, und sie hatte ihm zugeflüstert, wie sehr sie ihn liebe und wie sehr sie ihn brauche und daß sie ohne ihn nicht mehr leben könne. Und heute war alles vorbei, sollte es vorüber sein, alles aus sein.
    Da mußte etwas dahinter stecken, doch Jan konnte sich nicht erklären, was es war.
    „Erinnere dich an die vergangene Nacht, Haike“, sagte er drängend. „Erinnerst du dich?“
    „Nein“, sagte sie. „Ich will mich auch nicht erinnern.“
    „So nimm doch Vernunft an, Haike“, sagte er gequält. „Was ist geschehen?“
    Sie richtete sich auf und klopfte den Sand von ihrem Kleid, dann stand sie auf und ging den Strand entlang. Jan folgte ihr. Er griff nach ihr, aber sie schlug seine Hand zur Seite, blieb stehen und blickte ihn an. Ihre Augen funkelten wütend.
    „Greif mich nicht mehr an“, keuchte sie. „Mir ekelt vor deiner Berührung, verstehst du? Mir ekelt vor dir. Laß mich in Ruhe.“
    Er zuckte zurück und legte die Stirn in Falten. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Aber im Augenblick war es sinnlos, weiter mit Haike zu sprechen.
    Sie ging weiter. Er folgte ihr, hielt aber einen Abstand von mehr als hundert Metern. Nach einigen Minuten wurde ihm klar, wohin sie ging: zum Leuchtturm.
    Haike ging immer rascher, es kam ihm vor. als würde jemand sie zum Leuchtturm ziehen. Die letzten Meter lief sie, riß die Tür auf und verschwand darin.
     

     

Jan blieb stehen, setzte sich und beobachtete den Leuchtturm.
    Gestern hatte ihm Haike von der seltsamen Verwandlung Brockenhausens erzählt. Sie hatte vor Angst gezittert und ihm erklärt, daß sie nie mehr in den Leuchtturm gehen werde. Und heute war sie hingegangen.
    Und in der Nacht hatten sie den seltsamen Riesenvogel gesehen, der sekundenlang Kreise über ihnen gezogen hatte.
    Jan nahm ein Stück Holz und zog seltsame Figuren in den Sand. Schließlich warf er das Hölzchen fort, steckte sich eine Zigarette an und überlegte weiter.
    So sehr er sich auch gewehrt hatte, an übernatürliche Dinge zu glauben, jetzt war er langsam geneigt daran zu glauben, daß hinter all den Vorkommnissen eine unbekannte Macht steckte.
    Er legte sich auf den Rücken, schaute in den wolkenlosen Himmel und dachte nach.
    Er rief sich noch einmal alle Ereignisse der vergangenen Monate ins Gedächtnis zurück, angefangen von den Sturmfluten, über Ingruns und Silkes Tod, bis zum Amoklauf Frau Thorensens. Er dachte an das Vogelsterben und die Alpträume.
    Je länger er über alles nachdachte, um so sicherer wurde er, daß dahinter eine unbekannte Kraft steckte, eine Kraft, die immer stärker geworden war.
    Etwas fiel ihm ganz besonders auf: die Opfer waren immer Frauen gewesen, die Alpträume hatten aber auch Männer bekommen. Aber es schien ihm, als hätte die unsichtbare Kraft besonders Gewalt über Frauen.
    Nachdenklich drückte er die Zigarette aus und beobachtete weiterhin den Leuchtturm. Nach einer Stunde kam Haike heraus. Sie lächelte. Doch nach wenigen Augenblicken erlosch das Lächeln, und sie sah finster drein. Sie bemerkte ihn nicht, obwohl sie nur wenige Meter an der Stelle vorbeiging, wo er lag.
    Jan folgte ihr wieder. Sie kehrte ins Dorf zurück und verschwand im Gasthof ihrer Eltern.
    Er rieb sich das Kinn, blieb einige Minuten ruhig stehen, dann kehrte er in Gedanken versunken nach Haus zurück, setzte sich in sein Zimmer, holte ein Notizbuch hervor und begann zu schreiben. Er machte sich eine Aufstellung von allen mysteriösen Vorfällen, über die er Bescheid wußte. Die Liste war ziemlich lang, als er damit fertig war.
    Eines stand für ihn fest: er würde in den nächsten Nächten sehr aufpassen und Haike nicht aus den Augen lassen.
    Als Jans Eltern schlafen gegangen waren, schlich sich Jan in die Dachkammer. Von hier aus hatte er einen herrlichen Überblick übers ganze Dorf. Er hatte ein starkes Nachtglas mitgenommen, eine Schachtel Zigaretten und ein
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