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0281 - Die Höhlen des Schreckens

0281 - Die Höhlen des Schreckens

Titel: 0281 - Die Höhlen des Schreckens
Autoren: Werner Kurt Giesa
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und dabei ein strahlendblauer Himmel, den man sonst nur auf Postkarten vorgelogen bekam. Um die Mendelspitze kreiste das Wolkengebilde, das die Einheimischen den »Mendelwurm« nannten. Diese weiße Formation bildete sich recht häufig und rotierte dann stundenlang um dem Berggipfel, aber warum, danach fragte keiner. Ein Naturphänomen, das man hinnahm wie den strahlenden Sonnenschein Südtirols.
    »Verflixt, wo ist die Dame denn geblieben?« fragte sich Ted und kratzte sich am Hinterkopf. »Noch weiter abgestürzt? Aber da unten gibt’s doch keine Spuren mehr!«
    Ein Seil hatte er nicht in seinem Wohnzimmer auf Rädern. Und das Abschleppseil war nicht lang genug, um damit bis auf die Gemsenrennbahn zu kommen. Schulterzuckend wandte er sich ab. Drüben im Dorf fand sich bestimmt jemand, der ihm ein Seil lieh und vielleicht auch noch mitkam, um sich um die abgerutschte Frau zu kümmern. Irgendwo mußte die ja vielleicht liegen und Hilfe brauchen.
    Vielleicht kam man ja auch von unten an den Hang heran. Das wußten aber nur die Einheimischen.
    Ted sah die Leuchte seines Autotelefons leuchten. Verflixt, wer wußte denn, daß er hier südlich von Bozen unterwegs war und rief ihn unterwegs an?
    Er sprang in den Wagen, hob ab und meldete sich. Dann verzog er das Gesicht, weil er die Stimme erkannte. Sein Gesprächspartner brauchte sich nicht vorzustellen, hatte es aber auch nicht nötig, mehr zu fragen als: »Wie lange brauchst du eigentlich noch für die hundert Meter vom Brenner bis hierher?«
    »Hundert Meter?« murmelte Ted verblüfft, der in Gedanken noch bei dem Absturz war. »Ein paar mehr sind’s doch schon… Rudolfo, hier ist jemand zu Fuß den Hang hinuntergesegelt und braucht vielleicht Hilfe. Kannst du mit einem langen Seil herauf kommen?«
    »Bin ich ein Seiler oder die Mittersdorfer Feuerwehr? Wo treibst du dich denn herum, während hier das Bier immer wärmer wird? Ich mag doch kein warmes Bier!«
    Ted Ewigk beschrieb seinen Standort, so gut es ihm möglich war. Rudolfo atmete scharf durch. »Das ist ja ganz in der Nähe… wie lang soll das Seil sein, und muß ich noch ein paar Leute mitbringen?«
    Er mußte nicht, aber knapp zehn Minuten später kreischten die Bremsen eines BMW 635 CSi in Goldmetallic, von dem es in ganz Italien nur dieses einzige Prachtexemplar gab. Offiziell importiert wurde das Flaggschiff nicht von den Händlern.
    Signor Rudolfo Munro, untersetzt und schnurrbärtig, sprang elastisch aus dem Wagen wie ein Junger, dabei hatte er das Pensionsalter inzwischen erreicht. Bloß war er nicht pensionsberechtigt, weil er zeitlebens Schriftsteller gewesen war und es auf mehr als achthundert Romane gebracht hatte. Das mußte ihm erst mal einer nachmachen. Er war auch der Grund für Ted Ewigks Hiersein. Gemeinsam wollten sie eine neue Sache ausbrüten, und wenn sich dabei für den Reporter aus Frankfurt ein Sonnenurlaub in der Wetteroase Caldaro dranhängen ließ, konnte ihm das nur recht sein. Der Sommer in Germania war unter aller Kanone.
    Rudolfo schwang ein Eineinhalb-Zentimeter-Tau wie ein Lasso. Wo er das dicke Seil aufgetrieben hatte, war Ted ein Rätsel. Wichtig war, er hatte es. In wenigen Worten erstattete der Reporter Kurzbericht, nahm Rudolfo das Seil aus der Hand und knotete es sich um den Leib.
    »Absichern und oben bleiben«, bestimmte er. »Ich schau mich unten mal nach der Dame um.«
    »Hoffentlich ist sie eine alte, häßliche Ziege«, lästerte Rudolfo. »Damit’s für dich jungen Spund auch zur Arbeit und nicht zum Vergnügen wird…«
    Ted seilte sich ab. Mit dem Seil, das am vorderen Schlepphaken des BMW hing, konnte er sich gut halten. Die Schuhsohlen selbst waren hier kriminell. Nach zwei Minuten war er unten auf dem Pfad.
    Er sah sich um.
    Weitergerutscht war die Frau hier mit Sicherheit nicht. Die Rutschspuren oberhalb des Bäumchens waren so jung, daß sie auch unterhalb noch nicht hätten verwischt sein können. Also war die Frau entweder den Pfad weiter abwärts getaumelt oder in die andere Richtung zur kleinen Plattform - wo sie nicht mehr war.
    »Ich schaue mal da nach«, verkündete Ted. »Reicht das Seil?«
    »Zum Genickbrechen immer«, kam es munter von oben. »Warte, ich komme mit…«
    »Du bleibst oben!« protestierte Ted, stellte fest, daß er mit dem Seil als Absicherung doch nicht viel weiter kam und löste es. Mit einer Hand gegen den Hang gestützt, bewegte er sich in mächtiger Schräglage um die Kurve und auf die Plattform zu. Da sah er die
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