Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0278 - Tupilak, das Schneemonster

0278 - Tupilak, das Schneemonster

Titel: 0278 - Tupilak, das Schneemonster
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
oder die Inuk. Sie sind Nomaden und ziehen hierher und daher, je nach Klima und 13 Jahreszeit. Unser christlicher Glaube dringt nur langsam zu ihnen vor, sie huldigen weitgehend noch ihren alten Sitten und Gebräuchen. Das heißt, daß es wie bei allen Naturvölkern neben dem Häuptling auch noch den Stammeszauberer, den Schamanen oder hier auch Angakok genannt, gibt.«
    »Schön. Und was hat das mit diesem Tupilak zu tun?« fragte Nicole.
    Zamorra lächelte und streichelte ihr derzeit langes helles Haar. »Dazu komme ich, wenn ich dein Grundwissen aufgefrischt habe«, versicherte er. »Wenn ein Inuk spürt, daß er im Grunde zum Schamanen berufen ist, trennt er sich erst einmal von seinem Stamm und beginnt eine lange Wanderschaft, in der kargen, öden Eiswüste völlig auf sich allein gestellt. Er fastet und betet zu den Geistern, so lange, bis er vielleicht durch eine Art Fanatismus, zum größten Teil aber durch Entkräftung in Ekstase verfällt. In dieser ekstatischen Traumtrance erscheint ihm seine Gottheit und sagt ihm, ob er berufen ist oder nicht. Natürlich ist das alles weitaus komplizierter. Ich versuche hier nur grobe Umrisse zu erfassen. Wenn du mehr wissen möchtest, kümmere dich um die einschlägige Fachliteratur.«
    »Steht da auch etwas über einen Tupilak?«
    Zamorra winkte ab. »Der Schamane kehrt zu seinem Stamm zurück. Er hat inzwischen gelernt und ist des Zaubers kundig. Er mag auch bei anderen Zauberern in die Lehre gehen. Wie dem auch sei: als Schamane ist er in der Lage, den Tupilak zu erschaffen.«
    Nicole sprang von der Sessellehne auf und ging zu der großen Panoramascheibe des Arbeitszimmers. Es glich eher einer Raumschiffzentrale als einem Büro mit allen kleinen technischen Kleinigkeiten, die das zamorra’sche Professorenleben erleichterten. Das riesige Fenster, das eine gesamte Wandseite des Arbeitszimmers von der Decke bis zum Fußboden und von Wand zu Wand erfüllte, war zwar ein Stilbruch in der äußeren Fassade des Châteaus, aber das störte Zamorra nicht. Wichtig war, daß er Licht hatte. Viel Licht, und in diesem Licht konnte er jetzt Nicole Duvals Anblick genießen, die sich ihm in einer durchscheinenden Bluse und einem verwegen kurzen Lederminirock präsentierte; ein wahrhaft von jeder noch so wichtigen Arbeit ablenkender Anblick. Nicole fuhr herum, daß die Haare flogen. »Komm zur Sache, Chéri!«
    »Der Tupilak ist so etwas wie ein Rächer. Gibt es eine Fehde zwischen Stämmen oder auch nur verschiedenen Sippen eines Stammes der Innuit, so mag es sein, daß jemand den Schamanen auffordert, einen Tupilak zu erschaffen. Dieser Tupilak wird in der Regel in einer äußerst kräftezehrenden magischen Zeremonie angefertigt, und nicht jeder Schamane schafft das. Er muß schon ziemlich gut bewandert sein in seiner dunklen Kunst. Der Tupilak wird angefertigt aus Seehundhäuten, Strohballen, Stoffetzen und weiß der Geier was noch alles für Materialien. Der Schamane haucht ihm Leben ein.«
    »Also so etwas wie ein Golem.«
    Zamorra schüttelte den Kopf. »Ein Golem ist ein künstlicher Mensch. Der Tupilak ist ein Tier, ein reißendes Raubtier. Er ähnelt einer Art vergrößertem Riesen-Seelöwen und ist noch zehnmal gefährlicher als dieser. Er fällt über jene Innuit her, denen Rache geschworen wurde, und tötet sie erbarmungslos. Er selbst ist dabei nicht zu vernichten. Kein bekanntes Mittel der Welt vermag einen Tupilak zu stoppen. Er ist unverwundbar und unsterblich. Erst, wenn sein Auftrag erfüllt und der letzte der verfeindeten Sippen ermordet ist, zerfällt der Tupilak wieder in seine Bestandteile, sein Nichtleben erlischt. Oder – der Schamane, der ihn schuf, ruft ihn von sich aus zurück.«
    »Was kaum eintreffen dürfte; so hohe Bestechungsgelder kann mit Sicherheit kein Inuk zahlen«, sagte Nicole.
    »Die dritte Möglichkeit ist, daß der Schamane stirbt«, sagte Zamorra.
    Nicole zuckte mit den Schultern. »Das also ist das, was du mir mitzuteilen hast«, sagte sie. »Und?«
    »Was und?«
    »Hast du den Zeitungsartikel nicht gelesen?«
    »Nur quer.«
    »Dann lies ihn noch einmal. Und dann sage mir, ob es ein Fall für uns wird oder nicht.«
    Zamorra las. Seine Brauen senkten sich, und über der Stirn erschien eine V-förmige Falte. »Verdammt«, murmelte er. »Das sieht ja böse aus.«
    Er sah Nicole an. »Fast hätte ich es überlesen. So ein Tupilak ist also aktiv. Und du bist, wie ich annehme, der Ansicht, wir sollten uns um diese Sache kümmern.«
    Nicole
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher