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0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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hinabzusteigen.
    »Vielleicht gehen wir besser mit«, schlug Zamorra vor. »Selbst hier oben kann es schon gefährlich sein, wenigstens für einen einzelnen Mann.« Er zog sein Schwert, wartete, bis Nicole für sich und ihn zwei weitere Fackeln entzündet hatte und ging dann langsam hinter Bill her.
    Der Amerikaner hatte mittlerweile die Hälfte der Stufen überwunden. Seine Fackel schuf einen schummerigen, scharf abgegrenzten Kreis rötlicher Helligkeit. Aber obwohl die Flammen hoch aufloderten und in dem geteerten Holz reichlich Nahrung fanden, verbreiteten sie kein nennenswertes Licht. Irgend etwas schien ihren Schein aufzusaugen. Es war, als würden die buckeligen, mit moderigem Schimmel überzogenen Wände des Verlieses die Helligkeit schlucken, statt sie zu reflektieren. Zamorra warf einen hastigen Blick über die Schulter zurück und sah, daß es Nicoles Fackel ebenso erging. Und auch um ihn selbst herum herrschte nur spärliche Helligkeit - der Schein seiner Fackel reichte gerade aus, um die nächsten zwei, drei Stufen zu erkennen und verlor sich dann im Nichts. Bill schien weit vor ihm in schwarzem, bodenlosem Nichts zu schweben; eine kleine, in eine flackernde Kugel unsicherer Helligkeit gehüllte Gestalt, die sich mit jeder Sekunde weiter entfernte.
    Aber man hatte sie ja gewarnt, in das Labyrinth einzudringen. Der schwere Riegel und die warnenden Runen auf der Tür waren nicht umsonst angebracht worden.
    Das Gefühl des Irrealen, Falschen wurde stärker in ihm, und die warnenden Stimmen in seinem Kopf steigerten sich zu gellendem Alarmgeschrei. Er hatte plötzlich das sichere Empfinden, in eine Falle zu tappen, aber er konnte beim besten Willen nicht sagen, woher dieses Wissen kam. Es war einfach da, und der Gedanke entschlüpfte ihm, sobald er danach zu greifen versuchte. Irgend etwas war hier falsch.
    Zamorra versuchte, das rasende Hämmern seines Herzens zu ignorieren. Mit erzwungen ruhigen Schritten folgte er Bill in die Tiefe.
    Aus der Dunkelheit unter ihnen erscholl ein krächzender, wütender Schrei, und irgend etwas Großes, Massiges huschte am Rande des Lichtscheines vorbei und verschwand, bevor sie es genau erkennen konnten.
    »Wir gehen besser zurück«, sagte Nicole über ihm. »Kann sein, daß es hier noch nicht gefährlich ist, aber ich finde es alles andere als gemütlich. Weißt du Bescheid?«
    Bill nickte knapp. Er hatte mittlerweile den ersten Treppenabsatz erreicht und starrte jetzt aus zusammengekniffenen Augen in die Dunkelheit. »Ich war hier«, murmelte er. Seine Stimme klang gepreßt. »Eine Stufe vor der Biegung. Wir… können hinaufgehen und weiterspielen.«
    Zamorra atmete hörbar auf. Er war alles andere als ein Feigling, aber dieses finstere, nach Moder und Verwesung riechende Gewölbe erfüllte ihn mit Furcht. Schon viele hatten versucht, sein Geheimnis zu ergründen, aber es war noch keiner zurückgekehrt.
    Er wartete, bis Bill neben ihm angekommen war, dann drehte er sich um und ging mit schnellen Schritten die glitschigen Stufen zurück. Die Tür schimmerte als heller, symmetrischer Lichtfleck weit über ihnen, und Zamorra registrierte erstaunt, wie tief sie bereits in das Labyrinth vorgedrungen waren.
    Aber der Schacht war tief, ungeheuer tief, und, sie hatten nicht einmal einen Bruchteil davon erforscht. Das eigentliche Labyrinth hatten sie noch nicht einmal betreten.
    Labyrinth? dachte Zamorra verwirrt. Irgend etwas am Klang dieses Wortes irritierte ihn.
    Es gab auf seinem Chalais kein Labyrinth!
    Es gab auch keinen Schacht, keine hölzerne Tür, hinter der eine Treppe in die Unendlichkeit hinabführte, und erst recht kein Kellergewölbe, in dem blutrünstige Monstren lauerten!!!
    Zamorra blieb so abrupt stehen, daß Bill von hinten gegen ihn prallte. Für einen winzigen, quälenden Moment schien sich sein Bewußtsein in zwei Teile zu spalten. Er wußte, daß er in diesem Augenblick in seinem gemütlichen Clubsessel vor dem Kaminfeuer saß und mit Nicole und Bill ein Spiel spielte, spürte die Wärme des Feuers auf dem Gesicht und das glatte Metall der Spielfiguren zwischen den Fingern, aber gleichzeitig roch er auch die moderige Luft, spürte er den Hauch eisiger, feuchter Kälte, der aus den Tiefen des Labyrinths zu ihnen emporstieg und das trockene Leder des Schwertgriffes in der Rechten.
    Eine Falle! dachte er verzweifelt, aber wieder war da etwas, das den Gedanken zurückdrängte, bevor er richtig in sein Bewußtsein dringen konnte. Von plötzlichem Schrecken
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