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0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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nicht sterben, ohne seine Rache vollzogen zu wissen.
    Und heute gelang es ihm…
    Er hatte das Gefühl, daß in seinem Inneren ein unsichtbarer Damm brach, jene zähe, unnachgiebige Wand, von der er bisher stets abgeprallt war. Für einen winzigen, schrecklichen Moment hatte er das Empfinden, direkt in die Hölle zu stürzen. Hitze hüllte ihn ein, sengende, unerträgliche Hitze, durchwoben mit den gellenden Schreien der Verdammten, deren Seelen auf ewig in diesem Fegefeuer gefangen waren. Menschen gleich ihm, die die Mächte der Hölle beschworen hatten und daran gescheitert waren. Dann Kälte, eine starrende, tödliche Kälte, die sich wie eisige Klauen in seine Gedanken grub und alle Gedanken und Gefühle in ihm abtötete, als würde seine Seele langsam zu Eis erstarren. Und dann…
    ***
    Er stand auf einer weiten, flachen Ebene. Es war kalt. Ein rauher, böiger Wind trieb Wolken von Staub und trockenem Sand vor sich her, und am Himmel loderte eine böse, trübrote Sçnne. Zyklopische Felsbrocken umgaben ihn wie achtlos liegengelassenes Riesenspielzeug, und in der Luft lag ein unangenehmer, schwer zu definierender Geruch. Schwefel und noch irgend etwas anderes, Ekelerregendes.
    Diese Welt war nicht neu für ihn. Er war hier gewesen, in Gedanken, unzählige Male schon, aber noch nie hatte er sie so überdeutlich und mit solch erschreckender Klarheit gesehen wie jetzt. Und trotzdem ließ ihn das Wissen, jetzt hier zu sein, ausgeliefert zu sein, erschaudern. Aber es gab kein Zurück mehr.
    Errichtete sich langsam auf, sah aus zusammengekniffenen Augen über die brettflache Ebene und blinzelte. Er hatte seinen menschlichen Körper behalten, und das Licht der roten Sonne schmerzte in seinen Augen. Obwohl er fror, brannten ihre Strahlen unbarmherzig auf seine nackten Schultern herunter.
    Er ging ein paar Schritte, sah sich unschlüssig um und setzte sich schließlich auf einen Stein.
    Dann wartete er.
    Er wußte nicht, wieviel Zeit verging oder ob überhaupt Zeit verging. Diese Welt war anders als die, aus der er stammte; in jeder Beziehung. Irgendwann entstand am Horizont Bewegung, und er wußte, daß sein Kommen bemerkt worden war.
    Eine Gestalt näherte sich. Ein Mann. Nicht die wirkliche Gestalt des Wesens, sondern ein Spiegelbild seiner selbst, perfekt bis ins letzte Detail - ein Spiegelbild des Mannes, der er einstmals gewesen war. Jetzt war die Ähnlichkeit nur noch vage zu erkennen. Fast, als bemühe sich das Wesen, sein wahres Aussehen selbst hier, in seiner Heimat, noch zu verbergen. Er war groß, schlank und hatte dunkles Haar, das wie eine schwarze Kappe eng am Schädel anlag. Das Gesicht wirkte schmal und asketisch. Er trug einen weiten, lose fallenden Umhang, der seine Schultern wie ein Paar überdimensionaler Fledermausflügel umgab, und seine Füße steckten in schwarzen, mit rasiermesserscharfen Dolchen besetzten Stiefeln.
    »Du bist also gekommen.« Keine Frage, sondern eine Feststellung. Und die Drohung, die in den Worten mitschwang, war unüberhörbar.
    Der Mann stand auf, nickte und senkte dann den Blick. Niemand hätte es vollbracht, diesen dunklen, stechenden Augen lange Zeit standzuhalten. Auch er nicht.
    »Ich… gebe auf«, sagte er leise.
    Der Unheimliche lachte. Es war ein böses, hallendes Geräusch.
    »Jetzt?« fragte er. »Jetzt, wo du am Ende bist und ich deine Seele - oder was du dafür hältst - sowieso bekomme?«
    »Das stimmt. Aber ich biete dir mehr.«
    Ein höhnisches Lächeln huschte über die Züge des Dämons.
    »Was hättest du mir schon zu bieten?«
    »Das Tor.« Es fiel ihm schwer, die Worte auszusprechen. »Ich werde dir zeigen, wie du das Tor von deiner Seite aus öffnen kannst. Der Weg in die Menschenwelt - ist das nichts, was dich reizen könnte? Ich bin geschlagen, aber deiner Macht hätten sie nichts entgegenzusetzen.«
    »Du wagst es, Forderungen zu stellen?« Das Gesicht des Unheimlichen blieb weiter ausdruckslos, aber in seiner Stimme schwang ein deutlich drohender Unterton mit.
    »Keine Forderung. Ein Angebot. Mich und eine ganze Welt gegen eine kleine Gefälligkeit.«
    Der Schwarzgekleidete überlegte. »Was verlangst du? Deine Freiheit?«
    »Nein. Es ist nicht viel. Für dich nicht mehr als eine flüchtige Geste. Aber mir bedeutet es unendlich viel.«
    Der andere nickte. »Das muß es wirklich, wenn du bereit bist, ein solches Opfer zu bringen. Du weißt, welches Schicksal dich erwartet. Und du weißt auch, daß ich dich nicht schonen werde. Unser
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