Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
Vom Netzwerk:
Hand. Zamorra taumelte zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel schwer auf den Rücken.
    »Und jetzt«, sagte das Kall, »stirb, Zamorral«
    Ein greller, vielfach verästelter Lichtblitz züngelte aus seinem Zyklopenauge, sengte eine rotglühende Spur in den Steinboden und jagte wie eine dünne glühende Schlange auf Zamorra zu.
    Er erreichte ihn nie.
    Der Saal begann zu beben. Ein dumpfes, qualvolles Stöhnen lief durch den Boden. Das Licht flackerte, erlosch für einen Moment und schlug dann in dunkles, drohendes Rot um. Das glühende Auge des Kall erlosch. Sein Kopf flog in den Nacken, und für einen Moment glaubte Zamorra selbst auf seinem starren Gesicht so etwas wie Schrecken wahrzunehmen.
    Zwischen ihm und dem monströsen Wesen schien plötzlich ein gigantischer, formloser Umriß zu entstehen. Der Körper des Kall bäumte sich auf, verschwamm, flackerte, verzerrte sich wie ein Abbild auf einem monströsen Zerrspiegel. Ein hoher, gellender Schrei marterte Zamorras Ohren.
    Dann raste etwas heran, hüllte das Kall ein und begann seinen Körper zu zermalmen…
    ***
    Das Erwachen war schwer; kein sanftes Hinübergleiten aus dem Schlaf in die Wirklichkeit, sondern ein mühsamer, kräftezehrender Kampf, als gäbe es da etwas, was ihn festhalten würde. Er stöhnte, bewegte mühsam die Hände und versuchte sich hochzustemmen.
    Es dauerte eine Weile, bis ihm klar wurde, wo er sich befand. Er lag auf dem Boden der Bibliothek, direkt neben dem umgestürzten Spieltisch. Trotz des hell lodernden Kaminfeuers war es kalt, beinahe schmerzhaft kalt schon. Er richtete sich auf, fuhr sich müde mit den Händen über das Gesicht und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war. Sein Blick fiel auf den Spielplan. Figuren und Würfel waren wild durcheinandergepurzelt, der Plan selbst geknickt. An seinem Rand, dort, wo die Zielkammer eingezeichnet gewesen war, war ein schwarzverkohlter Fleck.
    Zamorra stand auf, ging schwankend zu Nicole hinüber und drehte sie behutsam auf den Rücken. Sie stöhnte, öffnete die Augen und sah Zamorra einen Moment lang verwirrt an.
    »Was…«
    Zamorra schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Es ist vorbei«, sagte er. »Du brauchst keine Angst mehr zu haben.«
    Sie blinzelte, setzte sich auf und sah unsicher an ihm vorbei zur Wand. Sie atmete erleichtert auf, als dort nichts als die deckenhohen Bücherregale waren.
    »Es gibt keine Tür«, sagte Zamorra. »Es hat nie eine gegeben.«
    Nicole nickte. Sie schien - genau wie Zamorra vorhin - Mühe zu haben, in die Wirklichkeit zurückzufinden. »Mein Gott«, flüsterte sie, »was… was war das? Ein Traum?«
    Zamorra antwortete nicht sofort. »Ich glaube nicht«, antwortete er nach einer Weile. »Wenn ich… wenn es mich geschlagen hätte, wären wir wahrscheinlich tot.«
    »Was heißt hier wahrscheinlich?« brummte eine Stimme hinter ihm. »Ich hatte das Gefühl, ziemlich real tot zu sein.« Bill Fleming erhob sich schwankend, bückte sich nach einer der Spielfiguren und drehte sie nachdenklich zwischen den Fingern.
    »Was ist passiert?« fragte er. »Ich kann mich an nichts erinnern. Diese Echse… was geschah danach?«
    »Du weißt es nicht?« Zamorra sah ihn nachdenklich an und starrte dann auf den verkohlten Spielplan.
    Er hätte Bill erklären können, was geschehen war. Das Kall selbst hatte ihm die Lösung gegeben. Es und das, was geschehen war, als er versuchte, sein Amulett gegen das magische Labyrinth einzusetzen. Seine Hand glitt unter das Hemd und ertastete den silbernen Anhänger. Natürlich war er unbeschädigt, so wie keiner von ihnen wirklich verletzt worden war. Und trotzdem war Zamorra sicher, daß keiner von ihnen überlebt hätte, hätte das Kall gewonnen.
    Es hatte den gleichen Fehler begangen wie er. Die Spielwelt, die es erschaffen hatte, hatte ihre eigenen, festen Regeln. Bill hatte den Verstoß gegen diese Regeln mit dem Verlust seines Augenlichtes bezahlt.
    Und das Kall mit dem Leben. Die Kräfte, die es gegen Zamorra einsetzte, verstießen gegen die Regeln.
    Trotz allem ließ der Gedanke Zamorra lächeln. Man könnte auch sagen, dachte er, daß es disqualifiziert wurde.
    Aber das konnte er unmöglich laut aussprechen.
    ***
    Zuerst gab es nur den Schmerz. Einen heißen, glühenden Schmerz, wie es ihn noch nie zuvor in seinem Leben verspürt hatte. Es dauerte lange, bis es wirklich begriff, was geschah. Sein Körper war vernichtet, zerstört von den Gewalten, die es selbst heraufbeschworen hatte.
    Aber sein Geist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher