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0230 - Im Land der Unheils

0230 - Im Land der Unheils

Titel: 0230 - Im Land der Unheils
Autoren: Wolfgang E. Hohlbein
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hinüber. Auf der fleckigen Platte war ein Stück buntbedruckten Kartons ausgebreitet. Daneben, in einer Schachtel, lagen drei winzige schimmernde Metallfigürchen. Er nahm eine davon heraus, drehte sie zwischen den Fingern und stellte sie dann beinahe sanft auf das erste Feld des Spielplanes zurück…
    ***
    »Bist du weitergekommen?« fragte Nicole beim Abendessen.
    Zamorra sah auf, hielt mit seinem Löffel auf halbem Wege zwischen Teller und Mund inne und sah Nicole fragend an. »Womit?«
    »Mit deiner Arbeit natürlich. Oder beschäftigst du dich neuerdings mit etwas anderem als deinem Manuskript?«
    »Ach das…« Zamorra ließ den Löffel vollends sinken, tupfte sich mit der Serviette über die Lippen und griff nach dem Weinglas. »Es geht«, antwortete er nach ein paar Schlucken. »Morgen noch ein paar Stunden, und ich bin mit dem Gröbsten fertig. Außerdem brauchst du gar nicht so spitz zu fragen. Du tust ja nichts anderes, als Bill schöne Augen zu machen.«
    »Ich mache keine schönen Augen«, antwortete Nicole ungerührt, »ich habe schöne Augen. Außerdem arbeitest du schließlich für zwei, Liebling. Warum also soll ich dann noch arbeiten?«
    Bill Fleming schob sich genüßlich eine Gabel voll Salat mit einer schon beinahe unanständigen Menge Majonnaise in den Mund und schmatzte unüberhörbar. Im Gegensatz zu Zamorra, der noch immer lustlos an seiner Vorsuppe herumlöffelte, waren er und Nicole bereits bei der Nachspeise angelangt. »Habt ihr eigentlich auch noch ein anderes Thema als eure Arbeit?« fragte er mit vollem Mund.
    Zamorra lächelte schwach. »Manchmal schon, Bill.«
    »Kommt mir nicht, so vor. Seit ich hier angekommen bin, verkriechst du dich in deinem Verlies und kritzelst Buchstaben aufs Papier. Und Nicole langweilt sich.« Er schüttelte den Kopf, fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund und spülte mit einem Schluck Wein nach. »Du solltest dich mehr um deine Frau kümmern, mein Lieber.«
    »Frau?« echote Nicole.
    »Naja«, schränkte er ein. »Heutzutage nimmt man das ja nicht mehr so genau. Wenigstens fast-Frau. Aber Frau oder nicht, dein lieber Zamorra vernachlässigt dich.«
    »Das«, nickte Nicole, »kannst du getrost laut sagen. Schade, daß wir nicht verheiratet sind. So habe ich nicht einmal die Genugtuung, mich von ihm scheiden zu lassen.«
    Zamorra grinste säuerlich. »Vielleicht geduldest du dich, bis ich deine Arbeit erledigt und mein Manuskript korrekturgelesen habe«, schlug er vor, wobei er das Wort »deine« übermäßig betonte. »Danach kannst du ja mit Bill durchbrennen.«
    »Wer hat dir unseren Plan verraten?« fragte Nicole in gespielter Verblüffung.
    Zamorra grinste. »Intuition, meine Liebe. Eigentlich eine Domäne von euch Frauen, aber im Zuge der Gleichberechtigung…« Er seufzte, leerte sein Weinglas und stand auf. »Es wird Zeit«, murmelte er. »Ich will noch die letzten Seiten durchsehen. Das Essen war gut.«
    »Du hast es ja kaum angerührt«, murmelte Nicole beleidigt.
    »Trotzdem war es gut.« Zamorra trat vom Tisch zurück und wartete, bis Bill und Nicole ebenfalls aufgestanden und sich in Richtung Bibliothek auf den Weg gemacht hatten.
    »Warum läßt du den Kram nicht bis Morgen liegen und leistest uns Gesellschaft?« fragte Bill.
    »Gesellschaft wobei?«
    »Beim Spielen«, antwortete Nicole.
    »Spielen?«
    Nicole nickte, öffnete die schweren Doppeltüren zur Bibliothek und steuerte zielsicher auf den Kamintisch zu. »Das ominöse Geschenk, das uns heute ins Haus geflattert kam. Machst du mit?«
    Zamorra schüttelte entschieden den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Ich habe Besseres mit meiner Zeit vor, als kindische Spiele zu spielen.«
    »Kindisch vielleicht«, sagte Bill, nachdem er sich in einen der vier Sessel geworfen und einen Packen bunter Karten zur Hand genommen hatte. »Aber lustig. Versuch eine Runde. Würde dir vielleicht einmal ganz gut tun, für ein paar Stunden nicht ernst und erwachsen zu sein.«
    Zamorra schüttelte erneut den Kopf, trat aber trotzdem neugierig näher und betrachtete das, was vor Nicole und Bill auf dem Tisch stand.
    Der Spielplan war erstaunlich groß und in dunklen, grün- und braungemusterten Farbtönen gehalten. Es schien sich um eine Art Labyrinth zu handeln, ein sinnverwirrendes Durcheinander aus Treppen, Stollen und Hallen, die - von einer Fläche im Mittelpunkt ausgehend - in der Art eines Schneckenhauses nach außen gedreht waren und in einer finsteren, in tiefem Blauschwarz gehaltenen Kammer
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