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022 - Die wandelnde Tote

022 - Die wandelnde Tote

Titel: 022 - Die wandelnde Tote
Autoren: Bernd Frenz
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trotzdem wohlgerundeten Körper vergaß sogar Molai seinen Wunsch nach gegorenem Traubensaft. Nur Urzuk und Akan schienen gegen ihre Schönheit immun zu sein. Mit grimmigen Mienen zerrten sie Aruula über das Podest. Obwohl sie zu zweit waren, blieben die Arme der Barbarin auf dem Rücken gefesselt, damit sie nicht um sich schlagen konnte. Unter fortwährenden Stößen wurde sie von Emrocs Wächtern an den vorderen Rand des Podiums getrieben.
    Als Urzuk und Akan einen Schritt zurück traten, um sie dem Publikum zu präsentieren, schüttelte Aruula fauchend den Kopf. Furchtlos hielt sie den Blicken der gaffenden Menge stand. Eine salzige Brise wehte aus dem Hafen herüber und überlagerte den abstoßenden Schweißgeruch, der von den dicht gedrängten Zuschauerreihen aufstieg.
    Bewegung kam ins Publikum. Jeder reckte den Hals, um einen besseren Blick auf die Amazone werfen zu können, die unter so starken Sicherheitsvorkehrungen vorgeführt wurde. Im Augenblick wirkte Aruula aber fried- lich, fast verletzlich. Angesichts ihrer Jugend und des gut ausgebildeten Körpers würde sie einen guten Preis erzielen. Molai lächelte zufrieden, als er seine zu erwartende Provision ausrechnete. Er überlegte einen Moment, was ihm der feiste Eunuch über diese Barbarin erzählt hatte, dann breitete er seine Arme in einer um Aufmerksamkeit heischenden Geste aus.
    »Hier haben wir eine wilde Schönheit aus dem Land jenseits des Kanals«, pries er Aruula mit lauter Stimme an. »Sie ist nicht nur eine Zierde für jede Bettstatt, sondern auch eine Überlebende des Sklavenspiels von Saamton! Eine echte Wildkatze, aber gleichzeitig weich und anschmiegsam. Gut als Kämpferin für die Arena geeignet, als Leibwächterin, oder…« Molai machte eine kunstvolle Pause, während er von hinten an Aruula herantrat. Blitzschnell langte er über ihre Schultern und klappte die Fellweste auseinander, um ihre vollen Brüste zu präsentieren.
    »… für viele andere Dinge des täglichen Bedarfs!«
    Seine überschwänglichen Ausführungen lösten begeisterte Rufe und Pfiffe aus. Molai lächelte zufrieden, als das Publikum unter ihm tobte. Eine gute Stimmung trieb die Preise in die Höhe.
    Aruula funkelte wütend unter ihrem Haarschopf hervor. Am liebsten hatte sie dem Marktvorsteher das Gesicht zerkratzt. Doch je mehr sie an ihren Fesseln zerrte, desto tiefer schnitten ihr die Lederriemen ins Fleisch. Es war zwecklos. Die Stricke ließen sich nicht sprengen.
    Ein lautes Krächzen drang über den Marktplatz. Aruula sah zu dem Raben auf, der es ausgestoßen hatte. Mit ausgebreiteten Schwingen kreiste er über ihr. Seine schwarze Silhouette wirkte wie der Schatten des Ungewissen Schicksals, das ihr bevorstand. Aruula spürte, wie ihre Kehle trocken wurde, als hätte sie heißen Sand eingeatmet, Sie musste unwillkürlich an Krahac, den Totenvogel denken - aber dessen Spannweite hätte die ganze Sonne verdunkelt. Nein, der Kolkrabe erinnert eher an die gefiederten Späher der Bunkermenschen, die sie in Landän kennen gelernt hatte.
    Ob die Technos wussten, wie kläglich Maddrax und sie versagt hatten? Das ihr Geliebter inzwischen Britana als Sklave auf einem Schiff verlassen hatte?
    Aruula wurde von Trauer übermannt. Ihre Augen wollten sich gerade mit Tränen füllen, als Molai sie unsanft aus ihren düsteren Gedanken riss. Der Marktvorsteher drängte sich dicht hinter die Barbarin und bog ihre Schultern mit sanfter Gewalt zurück, um ihre bronzefarbenen Brüste besser zur Geltung zu bringen.
    »Höre ich ein erstes Gebot von dreißig Pund?«, brüllte er laut in die Menge.
    Ehe sich die Hände der ersten Bieter in die Höhe recken konnten, winkelte Aruula ihr rechtes Bein an. Im ersten Moment sah es so aus, als wollte sie zu einem Tritt ausholen. In Wirklichkeit zischte ihre Ferse rückwärts zwischen Molais Oberschenkeln empor. Mit einem dumpfen Laut bohrte sich der Hacken in den Unterleib des Marktvorstehers. Ein brennender Schmerz durchzuckte seine Lenden, während weiße Sterne vor seinen Augen explodierten.
    Keuchend sank Molai auf die Knie. Einen triumphierenden Schrei auf den Lippen, wirbelte Aruula auf dem Absatz herum, um ihn erneut zu attackieren. Doch ehe sie zutreten konnte, wurde sie von Urzuk und Akan zu Boden gerissen. Ihre gefesselten Arme hinderten sie, den Sturz abzufangen. Mit der Schulter voran prallte sie auf das Podest. Eine beißende Schmerzwelle schoss durch ihren Körper, doch der Aufschlag war nichts im Vergleich zu den Hieben, die
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