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022 - Die wandelnde Tote

022 - Die wandelnde Tote

Titel: 022 - Die wandelnde Tote
Autoren: Bernd Frenz
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zugewuchert und zu einem natürlichen Bestandteil des Platzes geworden. Geübte Kletterer nutzten den aufragenden Schwenkturm als Aussichtsplattform, um den Verkaut der Sklavinnen zu verfolgen.
    Diese guten Plätze waren begrenzt, deshalb hatten die beiden Männer der Stadtwache alle Hände voll zu tun, die gaffende Menge, die sich vor dem Podest auf die Füße trat, im Zaum zu halten. Viele Neugierige, die zu spät erschienen waren, drängten mit aller Kraft nach vorne, um einen besseren Ausblick zu erhaschen. Dabei schoben sie die vorderen Zuschauer immer weiter gegen das mannshohe Podium.
    Jacks und Stewy sorgten auf ihre eigene Weise für Ordnung. Mit den stumpfen Enden ihrer Dreidornen drückten die Wachen gegen die Brustkörbe der Eingeklemmten und stießen sie brutal zurück.
    Der Marktvorsteher setzte die Auktion inzwischen ungerührt fort. Er war mittelgroß und von magerer Gestalt, die entweder von Armut oder selbst auferlegter Askese gekennzeichnet war. Sein langes Gewand aus Wakudawolle, das schon bessere Tage gesehen hatte, ließ auf Ersteres schließen.
    Wer Molai nur flüchtig kannte, wäre nie darauf gekommen, dass er einen wichtigen Posten bekleidete. Er war für alle Belange der auswärtigen Sklavenhändler verantwortlich und führte die Versteigerungen auf dem Frauenmarkt durch. Die Kaufleute steckten ihm deshalb so manche Münze zu, um sich sein Wohlwollen zu sichern.
    Das Geld, das er auf diese Weise einnahm, rann Molai aber schon in der nächsten Taverne wieder durch die Kehle. Der übermäßige Genuss von gegorenem Traubensaft hatte bereits deutliche Spuren hinterlassen. Sein Gesicht war von tiefen Furchen zerklüftet, wie die Felsen einer Steilküste, die jeden Tag der Brandung ausgesetzt waren.
    Obwohl der Marktvorsteher wusste, dass er seinen Körper damit zu Grunde richtete, dürstete es ihn bereits nach dem nächsten Krug mit kühlem Most. Während er die Köchin für fünfundzwanzig Pund an einen Schankwirt verkaufte, wünschte er sich, längst beim Mittagsschoppen zu sitzen. Die Kälte des nahenden Winters fegte bereits über den Platz, doch Molais Zunge klebte am Gaumen, als würde die Sonne gnadenlos auf ihn herab brennen.
    Ehe er seine Kehle kühlen konnte, musste er aber noch Emrocs restliche Ware verkaufen.
    Der feiste Sklavenhändler hatte sich auf dem rückwärtigen Teil des Podiums eine Liegewiese aus Seidenkissen bereiten lassen, auf der er sich genüsslich räkelte.
    Trotz der Kühle umgaben ihn drei spärlich bekleidete Sklavinnen, die ihn mit sanften Gesten streichelten oder mit Brabeelen fütterten. Keine der Frauen war älter als fünfundzwanzig.
    Links und rechts wurden sie von vier Eunuchen flankiert, die einen tragbaren Baldachin als Sonnenschutz in die Höhe hielten. Emroc wartete genüsslich, bis die Menge vor dem Podium unruhig wurde, bevor er den Wink gab, die nächste Sklavin zu holen.
    »Urzuk, Akan«, bellte er die Namen seiner Wächter, als ginge es ihm plötzlich nicht schnell genug.
    Die Angesprochenen waren beide mit Lederwams und dunklen Hosen bekleidet, ansonsten unterschieden sie sich wie Tag und Nacht. Urzuk, der Größere von ihnen, war ein dürrer Bursche, dessen schlaksige Arme wirkten, als hätten sie den Rest des Körpers beim Wachstum überholt. Akan erinnerte eher an ein Fass auf Beinen, doch trotz des Überge- wichtes bewegte er sich sehr geschmeidig.
    Das ungleiche Duo griff synchron nach den Peitschen, die an ihren Gürteln hingen. Das messerscharfe Leder schlagbereit in der Hand, traten sie an den rückwärtigen Aufgang und nahmen die nächste Sklavin in Empfang. Es war eine hochgewachsene Frau mit langem blauschwarzen Haar, das ihr im Gesicht klebte. Aruula.
    Die Barbarin trug nur eine knappen Fell- weste, Lendenschurz und kniehohe Stiefel; ihre mit Hennaartiger Farbe auf Arme und Beine aufgetragenen Symbole waren zum größten Teil verblichen. Die Strapazen der wochenlangen Gefangenschaft hatten Spuren hinterlassen, doch für den Verkauf war sie von den Wachen in einem großen Waschtrog hergerichtet worden.
    Beim Anblick der neuen Ware ging ein Raunen durch die Menge. Trotz ihrer an- geschlagenen Verfassung verströmte Aruula eine wilde Schönheit, die jede andere Frau auf dem Platz in den Schatten stellte. Einige Damen, die sich für den Marktbummel mit edlen Gewändern ausstaffiert hatten, stießen neidische Kommentare aus. Besonders als sie sahen, wie begierig ihre Begleiter auf die Sklavin starrten.
    Angesichts Aruulas schlankem und
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