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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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gelegt. Und dort werden Sie …«
    »Mein Gott!« rief Idusch. »Wir wollten ihr doch die Konfrontation mit dem Entsetzlichen ersparen! Warum haben die Ärzte das bloß zugelassen, Schwester? Wo …«
    Die Schwester winkte begütigend ab. »Alle Ärzte waren sich einig, Professor. In der letzten Stunde trat eine ganz überraschende Wende ein.« Sie bemerkte die Unruhe des Vaters. »Na, Sie werden ja sehen. Kommen Sie!« Sie ging durch die gläserne Pendeltür, bog nach rechts ab und wies auf die offen stehende Tür neben dem Fenster an der Stirnseite. »Dorthin wurden Mutter und Kind verlegt!« Sie lächelte. »Wir drücken Ihnen alle die Daumen.«
    Idusch blieb stehen. Eine plötzliche Wende? Konnte es noch ärger kommen?
    Zaghaft schritt er auf die geöffnete Tür zu. Sie führte in einen Vorraum, von dem zwei Türen abgingen. Eine öffnete sich, und Dr. Striebel kam heraus. Er erkannte Idusch und streckte ihm lachend die Hand entgegen.
    »Da darf man wohl gratulieren«, sagte er strahlend. »Bei dieser an Rätseln so reichen Geburt ist ein neues Wunder zu vermerken. Man hat Sie bereits unterrichtet?«
    »Nein. Nichts …«
    Dr. Striebel zupfte sich an der Nasenspitze, und zum ersten Mal, seitdem er diesen Arzt kennen gelernt hatte, sah Idusch die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht des Mannes.
    »Wir dürfen hoffen«, sagte er und zog Idusch in die Ecke des Vorraumes. »Sie tun gut, die letzten Tage zu vergessen, und sich ganz und voll auf die Liebe zu Ihrem Kind konzentrieren zu können. Es grenzt an ein Wunder. Ja, bitte?«
    Dr. Striebel sah zu der Schwester, die aus einem der Zimmer kam. »Mir ist die Sache unheimlich, Doktor, kommen Sie doch bitte wieder herein.«
    »Gleich.«
    Die junge Schwester verschwand mit einem hilflosen Ausdruck im Gesicht.
    Der Arzt lachte. »So wie Schwester Karin geht es uns allen. Ihr Kind, Professor, schrumpfte sich sozusagen zur normalen Größe gesund.«
    »Es wurde kleiner? Wollen Sie das sagen?« fragte Idusch ungläubig.
    »Genau. Der Prozess begann vor ungefähr einer Stunde. Ich war gerade im Zimmer des Kindes. Es saß im Bett und schimpfte unflätig. Na, Sie kennen das ja leider. Und plötzlich – mitten in einer Schimpfkanone – brach das Kind in babyhaftes Greinen aus. Wir standen zu dritt am Bett und stutzten natürlich. Aber unser Erstaunen wuchs noch, als das Kind vor unseren Augen seine Statur zu verändern schien.« Er lachte. »Was heißt schien? Das Baby wurde effektiv kleiner und hatte nach einer Viertelstunde die körperlichen Maße, die dem Alter entsprechen. Aber kommen Sie!«
    Freudig legte Dr. Striebel seine Hand auf Iduschs Schulter und ging mit ihm ins Zimmer.
    Leonore Idusch saß im Bett und nährte. Sie strahlte ihren Mann an.
    »O Liebster!« sagte sie zärtlich. »Du ahnst kaum mein Glück. Wenn ich die Kleine so schmatzen höre, denke ich, alles war nur ein böser Traum.« Ihre Lippen küssten den Kopf ihres Kindes.
    Idusch setzte sich zu seiner Frau. Das offensichtliche Wunder verschlug ihm die Sprache. Stumm genoss er die herrliche Wendung zum Guten. Er streichelte seine Frau und sein Kind, zu dem die Liebe übermächtig in ihm wuchs.
    »Liebste«, sagte er mühsam, »wie dankbar müssen wir sein!«
    Leonore nickte ihm zu. »War es schlimm bei – bei der Beerdigung? Man mag in seinem eigenen Glück gar nicht recht an das Leid anderer Menschen denken.«
    »Du sagst es, aber das Leben geht weiter. Eine Beerdigung ist immer schlimm.«
    Er küsste sein Kind.
    »War sie da?« fragte Leonore, und ihr Mann merkte sehr wohl, wie ihre Stimme zitterte.
    »Ja.«
    »Hast du mit ihr geredet?«
    »Flüchtig.«
    »Über uns?«
    »Auch – unter anderem.« Idusch fuhr Leonore über das Haar. »Reg dich nicht auf, Liebste. Jetzt ist alles überstanden.« Er sah zu Dr. Striebel. »Wie lange muss – meine Familie noch Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen?«
    »Eine Woche würde ich sagen«, antwortete der Arzt.
    Leonore zupfte ihren Mann am Ärmel. »Ich mag es nicht sagen, aber es muss wohl sein, Liebster.« Sie sah bittend zu ihm auf.
    Idusch lachte. »Jeder Wunsch ist im voraus erfüllt.«
    »Oh, du weißt nicht, worum es geht.«
    »Schieß los!«
    Leonore gab das Kind der Schwester, die ihre Brust abtupfte, und kuschelte sich dann an ihren Mann.
    »Liebster«, sagte sie leise, »ich mag nicht in das schreckliche Haus zurück. Verstehst du das?«
    Idusch nickte. »Ja. Aber so einfach ist das nicht. Vor allem so schnell …«
    »Lieber ziehe ich
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