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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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vorübergehend zu meinen Eltern. In dem Haus könnte ich nicht mehr froh werden. Die Erinnerungen …«
    Sie verstummte. Idusch sah Tränen in ihren Augen.
    »Versprochen.« Er zog sie sanft in seine Arme. »Versprochen, Liebste. Irgendwie werde ich es schon schaffen. Du brauchst nie mehr in das alte Haus zurück.«
     

     
    Den restlichen Tag über telefonierte der Professor mit Maklern und Agenten. Er kam erst gegen zwanzig Uhr zur Ruhe. Ein neues Haus hatte er noch nicht gefunden. Interessenten für seinen schönen Besitz am Stadtrand gab es genug.
    Idusch brutzelte sich in der Küche sein Abendessen. Er ging mit dem gefüllten Teller ins Esszimmer und aß lustlos. Anschließend sah er unter den Küchenschrank. Die Puppe, die er selbst mit einem Fußtritt dort hingeschleudert hatte, war verschwunden. Dabei erinnerte er sich genau, dass man sie nicht in Veits Taschen gefunden hatte.
    Wo war sie geblieben? Hatte sie sich aufgelöst? War sie auf unerklärliche Weise zu ihrer Herrin zurückgekehrt?
    Nachdenklich setzte er sich. Anna! Musste er ihr dankbar sein, weil sie das Schlimmste von seiner Familie abgewendet hatte?
    Nein! Nein! Idusch ballte die Hände. Sicher, sie hatte sein Flehen erhört, aber sie hatte andererseits ihm nun den Beweis erbracht, dass sie eine Hexe war. Ein flüchtiger hasserfüllter Gedanke von ihr konnte ein Todesurteil sein. Nein, diese Frau hatte ihr Leben auf dieser Welt verwirkt.
    Idusch dachte an Annas Zettel mit seinem Namen. Er wusste nicht besonders viel über seine Schweizer Vorfahren. Es mochte durchaus stimmen, dass er von den Tschudis abstammte, die sich im letzten europäischen Hexenprozess so sehr mit Schande beladen hatten. Wahrscheinlich hatten auch sie unter dem Druck der öffentlichen Meinung ihre Heimat verlassen müssen und in der Fremde den Namen geändert.
    Nun, hatten seine Vorfahren versagt, so bot sich ihm die Chance, es wieder gut zu machen. Anna musste vernichtet werden.
    Tschudi! Wie oft hatte er diesen Namen in seinen Seminaren als Inbegriff geistigen Hochmuts und mangelnden Mitleids mit der unglücklichen Kreatur zitiert. Und wie oft hatte er seinen Studenten den Aberwitz des Hexenglaubens vor Augen geführt, diese Missgeburt menschlicher Intelligenz. Und nun hatte ihn das Schicksal ausersehen, den Kampf mit einer wirklich existierenden Hexe aufzunehmen.
    Sein Lachen klang bitter. Anna glaubte sich im Recht, wenn sie das schreckliche Los der armen Anna Göldi rächte, und erkannte nicht, dass sie nur furchtbares Unheil anrichtete. War ihre Vorfahrin unschuldig, so war sie schuldig. Und war Tschudi eine menschliche Bestie gewesen, so hatte er, Theo Idusch. das Recht auf seiner Seite. Wie vor zweihundert Jahren standen sich Angehörige zweier Geschlechter in tödlicher Feindschaft gegenüber.
    Idusch kannte nun seine Pflicht. Aber wie sollte er das Leben in diesem verfluchten Leib auslöschen – ohne sich selbst in ihren Schlingen zu verfangen? Sicher ahnte sie seine Gedanken. Wartete sie gar auf die Eröffnung des Kampfes?
    Idusch ging nach vorn, suchte Veits Nummer aus seinem Notizbuch und drehte die Wählscheibe. Er musste lange warten, ehe er die tiefe Stimme der Hexe hörte.
    »Dori? Wer ist dort?«
    »Idusch. Entschuldigen Sie die Störung …«
    »Sparen Sie sich den Schmus. Was wollen Sie?«
    »Ich muss Sie dringend sprechen«, sagte Idusch sachlich.
    Anna lachte rauh. »Ich weiß, was Sie wissen möchten.«
    »Was denn?«
    »Wie es meinem Hals geht.« Wieder das rauhe Lachen.
    »Ich möchte mich nur bei Ihnen bedanken – wegen meines Kindes, Anna.«
    »Was geht mich Ihr Kind an?« Die Stimme des Mädchens wurde hart. »War das alles?«
    »Nein. In unserer Beziehung sind wissenschaftliche Aspekte aufgetaucht, die ich gern klären möchte.«
    »Der Umgang mit mir ist gefährlich. Das wissen Sie doch. Das behaupten Sie jedenfalls immer.« Sie stockte. »Oder haben Sie den Irrsinn Ihrer Ansicht eingesehen? Wie?«
    »Es lässt sich am Telefon so schwer darüber sprechen.«
    Anna lachte wieder. »Gut. Welche Studentin ginge nicht gern mit ihrem Professor aus? Wird Ihre Frau auch nicht eifersüchtig?«
    »Wir lieben uns.«
    »Schön, wenn man das noch sagen kann. Ich muss damit leben, einen Toten zu lieben.«
    »Das tut mir aufrichtig leid, Anna. Doch ich bin nicht das Schicksal …«
    »Aber ich. Das wollten Sie doch wohl sagen, wie?«
    »Nein. Sie sind empfindsam und überhellhörig wie alle Unglücklichen. Wann können wir uns treffen?«
    »Morgen
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