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015 - Das Blutmal

015 - Das Blutmal

Titel: 015 - Das Blutmal
Autoren: Jens Lindberg
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hineinkommen? Es ist äußerst wichtig.«
    »Für Sie – oder für mich?« fragte Anna.
    »Wohl für uns beide – und für viele andere.«
    Er verbarg mit viel Anstrengung seine Überraschung über die totale Verfärbung der Augen und Haare.
    Anna verknotete den Gürtel ihres Bademantels und zog die Tür auf.
    »Aber bitte nicht lange. Ich brauche meinen Schlaf.«
    Idusch warf seinen Mantel auf die Eichenkommode und ging hinter Anna in das Wohnzimmer.
    »Setzen Sie sich!« sagte das Mädchen.
    Der Professor lehnte sich an die Wand. Auch Anna blieb stehen. Sie musterten sich feindlich. Anna strich eine Strähne ihres Haares aus der Stirn und bemerkte Iduschs fragenden Blick.
    »Ja, ja – ich weiß«, sagte sie trotzig, »mein Haar ist anders und meine Augen auch. Ich bin eine Hexe, morde zum Vergnügen und habe diebischen Spaß daran, Kinder im Mutterleib zu verzaubern. Ich gehöre auf den Scheiterhaufen.« Sie streckte den Kopf vor. »Das alles wollten Sie doch sagen, wie?«
    Idusch schüttelte den Kopf. »Ich wollte mich ruhig mit Ihnen unterhalten – über verschiedene rätselhafte Vorkommnisse.«
    »Für die ich verantwortlich bin?«
    Anna schleppte sich zur Couch und ließ sich bäuchlings darauf fallen. Dumpf klang ihre Stimme aus den Kissen.
    »Besser wäre es, Herr Kloss würde mal zum Psychiater gehen. Meinetwegen soll er sein Leben zerstören, aber muss er alles um sich herum mit seiner Hysterie vernichten?«
    »Er ist normal, Anna«, sagte der Professor behutsam. »Wir sind ja nicht die einzigen, Anna, die all das Rätselhafte beobachten und erleben. Auch andere …«
    »Ich weiß«, unterbrach Anna ihn. »Auch der Menz spielt verrückt.«
    »Spielte«, sagte Idusch ernst und fest. »Er ist tot, Anna. Und wie alle Toten, die in Ihrem Bannkreis standen, brach er sich das Genick. Im Liegen, Anna, wohlgemerkt. Haben Sie auch dafür eine Erklärung?«
    »Soll ich mir über alle Toten dieser Welt Gedanken machen?« fragte Anna voll Verbitterung. Sie richtete sich auf und wandte dem Professor ihr Gesicht zu. »Ich leide! Wissen Sie, was das heißt?«
    »Nur zu gut! Meine Frau gebar eine Missgeburt, ein geistig und körperlich deformiertes Kind. Ein Scheusal!«
    Idusch schrie ihr die Worte zu.
    »Na – und? Schlimm für sie, schlimm für Ihre Frau, aber meine Sache ist das nicht. Ich kämpfe um mein Leben. Veit musste ich schon abschreiben, obwohl er schon untrennbar zu mir gehörte. Ja, bis vor ein paar Tagen dachte ich, wir hätten nur ein Herz. So war das.«
    Ihre gelben Augen wirkten kalt.
    Idusch zwang sich zur Ruhe. In ihm glomm immer noch die Hoffnung, die Unglückliche eventuell mit Argumenten überzeugen zu können.
    »Anna«, begann er behutsam, »keiner will Sie und Ihr Glück mutwillig zerstören. Unsere Wissenschaftler sind heute sehr weit fortgeschritten. Auch für Sie gibt es vielleicht Rettung. Aber als erstes müssten Sie Einsicht aufbringen. Einsicht für Ihre, sagen wir mal, schwierige Lage.«
    Er sah ihren abwesenden Blick.
    »Können Sie mir folgen?« fragte er besorgt.
    Anna Dori zeigte keine Reaktion. Unbewegt starrte sie vor sich hin. Die Hände hielt sie über den Knien gefaltet. Lautlos bewegten sich ihre blassen Lippen.
    Idusch wurde kalt. Seine Blicke hingen mit ungewisser Furcht an dem Mädchen, dessen Kopf in plötzlicher Erschlaffung nach vorn fiel. Dabei öffnete sich der Bademantel, und der Professor sah mit Grauen den blutroten Halsring.
    Mit einem Satz war er bei dem Mädchen, packte es an den Schultern und schüttelte es.
    »An wen haben Sie eben gedacht?« schrie er. »An wen?«
    Anna Dori sah ihn verständnislos an. »Was ist? Was wollen Sie von mir?«
    »Der Ring! Der Ring an Ihrem Hals! Er hat schon zuviel Unheil gebracht!«
    Fast wider seinen Willen umschlossen seine Hände Annas Hals.
    »Lassen Sie mich los!« keuchte Anna.
    Mit wildem Aufbäumen riss sie sich los und rollte zu Boden.
    Idusch erwachte wie aus einem bösen Traum.
    »Entschuldigen Sie!« sagte er. »O Gott, wir sind alle verrückt!«
    Er half dem Mädchen beim Aufstehen.
    »Gehen Sie!« sagte Anna Dori und legte den Kopf an das kühle Fensterglas. »Wissen Sie, wo Veit ist?«
    »Ja, bei mir. Und da wird er bleiben. Er will Sie nie Wiedersehen.«
    Annas Augen glühten auf. »Das ist sein endgültiger Entschluss?«
    »Ja. Anna, er hat Angst.«
    »Vor mir?« Sie lachte wild. »Angst vor mir?« wiederholte sie schrill. »Der Arme!« höhnte sie. »Auf mich nimmt keiner Rücksicht. Ach, hauen Sie ab,
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