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0144 - Nacht über Manhattan

0144 - Nacht über Manhattan

Titel: 0144 - Nacht über Manhattan
Autoren: Heinz Werner Höber
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nahe an den Rand des Grabes zu kommen…
    ***
    Am Union Square stand eine kleine Bude, in der wir Fahrer uns aufhalten konnten, wenn wir nicht unterwegs waren. Hier gab es auch das Telefon, mit dem man uns anrufen und an jede beliebige Ecke der Stadt bestellen konnte. Hier war auch ein Lautsprecher der Taxizentrale, durch den wir unsere Anweisungen direkt von der Zentrale bekamen.
    In dieser Bude gab es zwei oder drei Tische, ein paar Stühle und zwei lange Bänke, auf denen wir uns herumlümmelten, um ein wenig zu entspannnen. Manche spielten Karten, andere lasen Zeitungen und wieder andere machten ein Nickerchen.
    Daß Phil und ich in Wahrheit FBI-Beamte waren, wußte hier von den anderen Fahrern kein einziger. Wir waren eben als ›Neue‹ mit dem anfänglichen Mißtrauen und dem bald einsetzenden Kollegengeist aufgenommen worden und gehörten jetzt, in der vierten Nacht, schon dazu.
    Als ich die Bude am Union Square betrat, entdeckte ich Phil auf einer der beiden Bänke sitzen und in einer Zeitschrift für Jazz-Fans blättern. Ich setzte mich zu ihm und brummte:
    »Na, was macht das Geschäft?«
    Phil zuckte die Schultern.
    »Ganz gut. Ich hatte schon drei, und einer von ihnen war Roger Bryan, unser berühmter Baseball-Star. Er ließ mir glatt zwei Dollar Trinkgeld. So kann‘s weitergehen.«
    Ich grinste.
    »Wolltest du mich morgen früh nicht zum Frühstück einladen?«
    Phil runzelte die Stirn.
    »Das muß ich mir noch sehr überlegen. Man soll die Faulheit gewisser Elemente nicht dadurch fördern, daß man sie mildtätig durchfüttert.«
    Ich knallte ihm einen freundschaftlichen Boxhieb auf die- Rippen, der sofort seine Abwehr herausforderte. Wir waren gerade dabei, uns ein kleines Trainingsmatch zu liefern, als uns beiden jemand auf die Schultern klopfte. »Seid vernünftig und vertragt euch!« Wir sahen uns um. Vor uns stand Renaldo Testi, ein junger Italo-Amerikaner mit Schmachtlocken und echtem Römerkopf. Er grinste breit und ließ ein Musterexemplar von Gebiß sehen.
    »Hallo, Renaldo!« sagte ich. »Vielen Dank für die Hilfe. ch war gerade dabei, ihn zu Mus zu verarbeiten.«
    Phil schüttelte dem Kollegen ebenfalls die Hand.
    »Glaub's ihm nicht«, versicherte er. »Du hast sein Leben gerettet. Eine Sekunde später — und mein Haken hätte ihm den Kiefer zerschmettert.«
    Wir ergingen uns noch eine Weile aus lauter Übermut in derart fürchterlichen Drohungen, bevor wir uns mit gespielt mürrischer Miene die Hand zur Versöhnung hinstreckten.
    Renaldo ließ sich zwischen uns auf die Bank fallen und freute sich seines Erfolges. Wir fragten ihn, wieviel Fahrgäste er bisher gehabt habe. Er schnippste lässig mit den Fingern:
    »Gar keinen. Ich lege auch noch keinen Wert darauf. Mein Geschäft blüht zwischen drei und fünf immer am besten. Ich habe ein paar Freunde unter den Portiers der Nachtlokale. Wenn es einen Geldsack nach Hause zu bringen gilt, der seine Schuhe nicht mehr von einem Schlachtschiff unterscheiden kann, dann rufen sie an und verlangen ausdrücklich mich. Das bringt Geld, sage ich euch! Einmal habe ich einen höheren Beamten, der zweifelhafte Nachtlokale nur aufgesucht hatte, damit er in den Ausschußsitzungen besser dagegen wettern konnte, von einem Bums zum anderen gefahren. Zum Schluß war er so voll, wie einer nur voll sein kann. Ich mußte ihm dutzendmal schwören, daß ich niemals seinen Namen nennen würde. Dafür bekam ich dreißig Dollar.«
    »Dreißig Dollar?« dehnte Phil. »Das ist ja ein kleines Vermögen.«
    Renaldo nickte gelassen:
    »Sicher. Er wollte mir eigentlich auch nur drei geben, aber er war so voll, daß er die Zehner für Einer ansah.«
    Wir lachten und ließen uns noch einige andere Abenteuer von Renaldo erzählen. Der junge Italo-Amerikaner stak ständig voller Späße, und wir hatten bisher noch jede Nacht ein paarmal herzhaft über ihn lachen müssen.
    »Leider hatte ich kein Glück mit den dreißig Bucks«, sagte er nach einer Weile trübsinnig. »Als ich damit zurückkam, dachte ich, daß man im Poker vielleicht noch einen Schein dazugewinnen könnte. Ich spielte mit Jeff Anderson, der damals noch hier fuhr. Der Lump nahm mir alle dreißig ab.« Renaldo machte ein derart böses Gesicht, daß wir wieder nur lachen konnten.
    »Oh!« rief Renaldo strahlend in reinster Schadenfreude aus. »Jeff Anderson hatte mit dem Geld auch kein Glück! Am nächsten Abend kam er betrunken zum Nachtdienst. Ich merkte es und versuchte ihm klarzumachen, daß er so nicht
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